01.01.01.01 Anwendung der Kommunikationsgrundrechte auf Internetkommunikation, Lücken, Einordnungsschwierigkeiten - TEIL 1

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    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 Im Internet findet sich eine Vielzahl von Diensten, deren
    2 grundrechtliche Einordnung zum Teil erhebliche
    3 Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden geht es allein darum,
    4 ob und unter welchen Voraussetzungen die verschiedenen
    5 Formen der Internetkommunikation dem Schutz der
    6 Kommunikationsgrundrechte im Sinne des Art. 5 GG
    7 unterfallen. Hierbei werden zunächst der Schutzzweck
    8 sämtlicher Kommunikationsgrundrechte sowie die einzelnen
    9 Gewährleistungen des Art. 5 GG und deren Abgrenzungen in den
    10 Blick genommen. Im Anschluss hieran werden Eigenarten und
    11 Besonderheiten der Internetkommunikation dargestellt, die
    12 verdeutlichen, dass sich die kommunikationsgrundrechtliche
    13 Einordnung der Internetkommunikation schwierig gestaltet.
    14 Die Abgrenzung von Presse und Rundfunk erscheint im
    15 digitalen Zeitalter ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob
    16 Intermediäre, die im Gegensatz zu den klassischen Medien
    17 nicht nach publizistischen, sondern nach mehr oder weniger
    18 inhaltsneutralen Kriterien tätig sind, dem Schutz der
    19 Kommunikationsgrundrechte unterliegen.
    20
    21 Die Frage, ob Formen beziehungsweise Dienste der
    22 Internetkommunikation am Schutz des Art. 5 GG teilnehmen,
    23 hat nicht nur eine akademische, sondern eine erhebliche
    24 praktische Bedeutung. Da im Sinnzentrum des Art. 5 GG –
    25 neben der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen – die
    26 Offenheit des Prozesses individueller und öffentlicher
    27 Meinungsbildung steht, können der Zuordnung bestimmter
    28 Dienste zu den Grundrechten des Art. 5 GG entsprechende
    29 Regulierungsnotwendigkeiten korrespondieren. Dem Staat
    30 obliegt eine Gewährleistungsverantwortung für Meinungs- und
    31 Medienvielfalt, aus der sich entsprechende Schutzaufträge
    32 ergeben können, wenn die Offenheit des Prozesses
    33 individueller und öffentlicher Kommunikation beeinträchtigt
    34 oder gefährdet ist. [FN: folgt]
    35
    36 I. Der Inhalt des Art. 5 I GG
    37
    38 1. Schutzzweck des Art. 5 I GG
    39
    40 Artikel 5 I GG umfasst verschiedene
    41 Kommunikationsgrundrechte. Diese enthalten unstreitig eine
    42 subjektiv-rechtliche (= individualrechtliche) Funktion, die
    43 dem Einzelnen das Recht zuweist, seine eigene Persönlichkeit
    44 dadurch zu entfalten, dass er im privaten und öffentlichen
    45 Bereich „den Mund auftun“ und „geistig Luft ablassen“ kann.[
    46 Vgl.: Gersdorf, Hubertus: Legitimation und Limitierung von
    47 Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
    48 Konzeption der Kommunikationsverfassung des 21.
    49 Jahrhunderts. 2009, S. 55]
    50 Darüber hinaus kommt den Kommunikationsgrundrechten auch
    51 eine objektiv-rechtliche Komponente zu. Insofern handelt es
    52 sich um eine Doppelfunktion des Schutzzweckes von Art. 5 I
    53 GG. So erhalten die Kommunikationsgrundrechte innerhalb
    54 einer Demokratie, die auf einem freien (öffentlichen und
    55 individuellen) Meinungsbildungsprozess fußt, eine
    56 herausragende Bedeutung. Denn ein Wesenselement der
    57 Demokratie besteht darin, dass der Wille des Volkes
    58 maßgebend ist. Dafür ist allerdings entscheidend, dass die
    59 Bürger auch die Möglichkeit haben, sich frei von staatlichen
    60 Einflüssen eine Meinung zu bilden (demokratische
    61 Willensbildung). Aus diesem Grund genießt der Schutz der
    62 freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung einen
    63 besonderen Stellenwert. Voraussetzung dafür ist eine
    64 Vielzahl an Meinungen, die als Basis dafür dient. Aus diesen
    65 soll sich in einer Systematik der Meinungspluralität die
    66 überzeugendste Meinung durchsetzen. Voraussetzung für einen
    67 Schutz aus Art. 5 I GG ist demzufolge der inhaltliche
    68 Beitrag zum Kommunikationsprozess.
    69
    70 2. Die einzelnen Gewährleistungen des Art. 5 I GG
    71
    72 2.1 Meinungsfreiheit
    73
    74 Die Meinungsfreiheit schützt jeden, der seine Meinung äußert
    75 beziehungsweise verbreitet. Voraussetzung ist somit zum
    76 einen, dass eine Meinung vorliegt (in Abgrenzung zu einer
    77 reinen Tatsache), und zum anderen, dass es sich um eine
    78 eigene Meinung handelt. Das Verbreiten einer fremden Meinung
    79 wird hingegen nicht vom Schutzbereich erfasst. Eine Meinung
    80 ist geprägt durch das Element der Stellungnahme, des
    81 Dafürhaltens, der Beurteilung. [Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8)] Im
    82 Gegensatz dazu ist eine Tatsache dem Beweis zugänglich, denn
    83 sie kann entweder wahr oder unwahr sein. [ Vgl.: Schemmer,
    84 Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.):
    85 Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 1. Juli 2012 Edition:
    86 15, Art. 5 I GG, Rn 5.] Bei jeder in Frage stehenden
    87 Information, die geäußert oder verbreitet wird, muss
    88 demzufolge geschaut werden, ob es sich um eine Meinung oder
    89 eine Tatsache handelt. Das BVerfG hat entschieden, dass die
    90 Äußerung und die Verbreitung von Tatsachen dann vom
    91 Schutzbereich erfasst werden, wenn sie als Grundlage für
    92 eine Meinungsbildung dienen. [ Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8).]
    93 Demzufolge wird der Schutzbereich für diese Art von
    94 Tatsachen erweitert.
    95
    96 2.2 Informationsfreiheit [Vgl. auch: Deutscher Bundestag: …
    97 Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und
    98 digitale Gesellschaft“ / Demokratie und Staat. Kapitel 3.3
    99 „Informationsfreiheit und Informationszugang“,
    100 Erscheinungstermin offen.]
    101
    102 Die Informationsfreiheit schützt jeden, der sich selbst aus
    103 allgemein zugänglichen Quellen informieren will. Sie dient
    104 dem Schutz der freien Meinungsbildung, die der
    105 Meinungsäußerung und -verbreitung zwingend vorgelagert ist.
    106 Der Begriff der Quelle ist weit gefasst, so dass sämtliche
    107 Träger von Informationen berücksichtigt sind. [ Vgl.:
    108 Herzog, Roman in: Maunz, Theodor / Dürig, Günter,
    109 Grundgesetz-Kommentar, 64. Ergänzungslieferung 2012, Art. 5
    110 GG, Rn 87.] Der Begriff der Information ist ebenso weit zu
    111 verstehen und umfasst alle Arten von Mitteilungen – eine
    112 Unterscheidung zwischen Meinung und Tatsache erfolgt gerade
    113 nicht. Allgemein zugänglich sind Informationsquellen, die
    114 geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem
    115 individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen
    116 zu verschaffen. [Vgl.: BVerfGE 27, 71 (83).]Das Internet ist
    117 demzufolge eine klassische allgemein zugängliche
    118 Informationsquelle. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs,
    119 Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, Art. 5 GG, Rn 54.]
    120
    121 2.3 Pressefreiheit
    122
    123 Unter Presse versteht man klassischerweise jedes
    124 Druckerzeugnis, das geeignet und dazu bestimmt ist,
    125 verbreitet zu werden. Die Pressefreiheit hat zum einen eine
    126 subjektiv-rechtliche (individualrechtliche) und zum anderen
    127 eine objektiv-rechtliche Gewährleistungskomponente. [ Vgl.:
    128 BVerfGE 77, 346 (354) – Presse-Grosso.] Die
    129 subjektiv-rechtliche gewährt den im Pressewesen tätigen
    130 Personen die freie Gründung und Gestaltung von
    131 Presseerzeugnissen. [ Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping,
    132 Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher
    133 Online-Kommentar GG, Art. 5 I GG, Rn 44.] Geschützt wird
    134 demzufolge auch die Entscheidung darüber, welche Inhalte
    135 wie, also in welcher Form und an welcher Stelle, in dem
    136 Presseerzeugnis dargestellt werden. [ Vgl.: ebd.] Die
    137 objektiv-rechtliche Komponente gewährt das Institut der
    138 freien Presse insgesamt.
    139
    140 Grundsätzlich werden die Kommunikationsfreiheiten demjenigen
    141 gewährt, der einen inhaltlichen Beitrag zum
    142 Kommunikationsprozess leistet. Dennoch beschränkt sich der
    143 Schutz nicht nur auf die unmittelbar inhaltsbezogenen
    144 Pressetätigkeiten. Vielmehr werden auch inhaltsferne
    145 beziehungsweise an sich inhaltsneutrale Hilfsfunktionen von
    146 Presseunternehmen erfasst (= presseinterne inhaltsneutrale
    147 Tätigkeiten). [ Vgl.: BVerfGE 25, 296 (304) – Buchhaltung;
    148 BVerfGE 64, 108 (114 f.) – Anzeigenaufnahme.] Denn die
    149 Pressefreiheit gewährt einen sehr weiten Schutz, der von der
    150 Beschaffung der Informationen bis zu deren Verbreitung
    151 reicht, [Vgl.: BVerfGE 10, 118 (121) – Berufsverbot I.] so
    152 dass also im Gegensatz zur Meinungsfreiheit auch die
    153 Verbreitung einer fremden Meinung gewährleistet wird. Der
    154 Grund für diesen weiten Schutz ist das Interesse an einer
    155 ungehinderten Meinungsverbreitung. Deshalb kommt es für die
    156 Definition des Schutzbereichs darauf an, ob eine Tätigkeit
    157 eine notwendige Bedingung für das Funktionieren einer freien
    158 Presse ist. [Vgl.: BVerfGE 66, 116 (134) – Springer/Wallraff
    159 ]Nicht geschützt wird indes die Verbreitung der Inhalte
    160 durch einen Dritten (= presseexterne Person).
    161
    162 2.4 Rundfunkfreiheit
    163
    164 Die Rundfunkfreiheit umfasst den Schutz, Rundfunkprogramme
    165 zu veranstalten. [Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, Volker /
    166 Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher Online-Kommentar
    167 GG, Art. 5 I GG, Rn 62.] Rundfunk ist dabei jede an eine
    168 unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder
    169 drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten mit Hilfe
    170 elektrischer Schwingungen. [Vgl.: Herzog, Roman in: Maunz,
    171 Theodor / Dürig, Günter (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 64.
    172 Ergänzungslieferung 2012, Art 5 GG, Rn 194 f.]Der
    173 Schutzbereich erstreckt sich – wie bei der Pressefreiheit –
    174 von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der
    175 Sendung. [ Vgl.: BVerfGE 78, 101 (103).] Ebenso umfasst sind
    176 im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung die
    177 dazu erforderlichen inhaltsneutralen Hilfstätigkeiten, die
    178 durch das Rundfunkunternehmen ausgeübt werden. [ Vgl.:
    179 BVerfGE 78, 101 (103) unter Verweis auf BVerfGE 77, 346
    180 (354) – Presse-Grosso.] Steht eine inhaltsneutrale
    181 (Hilfs-)Tätigkeit in Rede, muss demzufolge unterschieden
    182 werden, ob es sich um eine inhaltsneutrale Tätigkeit eines
    183 Rundfunkveranstalters handelt oder um die eines externen
    184 Dritten. Denn da Schutzvoraussetzung ein inhaltlicher
    185 Beitrag zum Kommunikationsprozess ist, besteht grundsätzlich
    186 bei inhaltsneutralen Tätigkeiten kein Schutz aus Art. 5 I
    187 GG. Aufgrund des organisatorischen Zusammenhalts wird jedoch
    188 bei inhaltsneutralen Tätigkeiten durch den
    189 Rundfunkveranstalter ein ausreichender Inhaltsbezug
    190 hergestellt, so dass im Ergebnis ein Schutz aus Art. 5 I 2
    191 GG gewährt wird. Anders jedoch bei inhaltsneutralen
    192 Tätigkeiten durch Dritte (also gerade keine
    193 Rundfunkveranstalter).[ Vgl.: Gersdorf, Hubertus:
    194 Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen. 1998, S. 69
    195 ff.]
    196
    197 2.5 Filmfreiheit
    198
    199 Der verfassungsrechtliche Filmbegriff setzt voraus, dass die
    200 Inhalte mittels eines chemisch-optischen oder digitalen
    201 Bild- und Tonträgers durch Vorführung in der Öffentlichkeit
    202 verbreitet werden. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs,
    203 Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art.
    204 5 GG, Rn 118.] Bei Darstellungen der Inhalte im Internet
    205 mangelt es jedoch gerade an einem Trägermedium, von dem die
    206 Darstellung der Inhalte direkt am Ort des Abspielens
    207 erfolgt. [ Vgl.: Jarass, Hans D. in: Jarass, Hans D. /
    208 Pieroth, Bodo (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 10. Aufl.
    209 2009, Art. 5 GG, Rn 50.] Von daher wird die Filmfreiheit im
    210 Folgenden unberücksichtigt bleiben.