01.01.01.01 Anwendung der Kommunikationsgrundrechte auf Internetkommunikation, Lücken, Einordnungsschwierigkeiten - TEIL 3

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    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 III. (Technische) Veränderungen und neue grundrechtliche
    2 Einordnungsprobleme
    3
    4 1. Das Internet
    5
    6 Aufgrund der technischen Veränderungen hat sich auch die
    7 Kommunikationsstruktur verändert. Zum einen hat sich durch
    8 die Entwicklung des Internet eine neue Plattform eröffnet,
    9 auf der Kommunikation stattfinden kann. Die klassische
    10 Massenkommunikation wie die Pressetätigkeit und die
    11 klassische Rundfunktätigkeit wird nun auch im Internet
    12 ausgeübt. Für diese bietet das Internet eine neue Plattform,
    13 um ihre Inhalte anzubieten. Aber auch die
    14 Individualkommunikation hat über das Internet neue Formate
    15 gefunden (siehe beispielsweise E-Mail oder
    16 Messenger-Dienste). Die Kommunikationsmöglichkeiten haben
    17 sich also erweitert. Zudem kann nun auch jeder Einzelne ohne
    18 großen finanziellen und zeitlichen Aufwand
    19 Massenkommunikation betreiben, zum Beispiel indem er einen
    20 eigenen Blog betreibt und dort Inhalte zur Verfügung stellt.
    21 Somit hat heute jede und jeder die Möglichkeit, eine
    22 unbestimmte Vielzahl von Personen mit ihren / seinen
    23 Inhalten zu erreichen.
    24
    25 Zum anderen hat sich durch die weitere Entwicklung des
    26 Internet zu einem Web 2.0 auch die Rolle des Einzelnen im
    27 Kommunikationsprozess verändert. Während früher streng
    28 zwischen dem Anbieter und dem Nutzer der Information
    29 unterschieden werden konnte, steht heute die Interaktion
    30 zwischen Anbieter und Nutzer im Vordergrund. Der Einzelne
    31 kann auch dadurch Massenkommunikation betreiben, dass er
    32 durch verschiedene Dienste eine Vielzahl von unbestimmten
    33 Personen mit seinen Inhalten erreichen kann, indem er fremde
    34 Beiträge kommentiert. Da in fast jedem veröffentlichten
    35 Inhalt dem Nutzer wiederum die Möglichkeit eingeräumt wird,
    36 zu reagieren, verändert sich die Massenkommunikation von
    37 einer one-to-many (wobei one früher nur die klassischen
    38 Medien waren) heute zunehmend zu einer many-to-many
    39 Kommunikation.
    40
    41 2. Abgrenzung innerhalb der Massenkommunikation Presse 
    42 Rundfunk
    43
    44 Aufgrund der Konvergenz der Medien ist die Abgrenzung
    45 zwischen Presse und Rundfunk teilweise schwierig geworden.
    46 Sowohl Verlage als auch Rundfunkveranstalter verbreiten im
    47 Internet Texte sowie Audio- und Videoangebote. Problematisch
    48 ist dabei die verfassungsrechtliche Einordnung als Rundfunk
    49 oder Presse. Wenn man weiterhin auf die verkörperte
    50 beziehungsweise nichtverkörperte Verbreitungsform abstellt,
    51 würde es sich bei im Internet verbreiteter
    52 Massenkommunikation, egal ob es um Texte, Audio- oder
    53 audiovisuelle Beiträge geht, um Rundfunk handeln. Das würde
    54 dazu führen, dass die gleiche Tätigkeit, die in einer
    55 Zeitschrift abgedruckt als Presse eingeordnet wird, als
    56 Rundfunk einzustufen ist, wenn sie im Internet
    57 veröffentlicht wird (vgl. hierzu auch Kapitel VI.).
    58
    59 3. Neue Dienste und eine Einordnung in Individual- bzw.
    60 Massenkommunikation
    61
    62 [im Originalpapier liegt hier eine Grafik vor - wird
    63 nachgereicht]
    64
    65 Kanäle digitaler politischer Kommunikation [Anmerkung: Die
    66 Einteilung folgt der üblichen englischen Terminologie. Die
    67 Abkürzung „C“ steht für Citizen(s), „G“ für Government und
    68 „B“ für Business, wobei unter Government jegliche staatliche
    69 Institution verstanden wird. „C2G“ beispielsweise bedeutet
    70 somit „Citizen(s)-to-Government“. Die Tabelle orientiert
    71 sich an einer ähnlichen Aufstellung im Zwischenbericht der
    72 Projektgruppe Demokratie und Staat. (vgl.: Deutscher
    73 Bundestag: … Zwischenbericht der Enquete-Kommission
    74 „Internet und digitale Gesellschaft“ / Demokratie und Staat.
    75 Kapitel 1.3.1 „Kanäle digitaler Kommunikation“.
    76 Erscheinungsdatum offen.) und vgl. auch: Stern, Jürgen: Web
    77 2.0 trifft Politik 3.11. Bringt politische Kommunikation
    78 durch das Internet mehr Transparenz, Partizipation und
    79 Legitimität? In: Patzelt, Werner / Sebaldt, Martin /
    80 Kranenpohl, Uwe (Hrsg.): Res publica semper reformanda:
    81 Wissenschaft und politische Bildung im Dienste des
    82 Gemeinwohls. Festschrift für Heinrich Oberreuter zum 65.
    83 Geburtstag. Wiesbaden: 2007. S. 168-179 sowie Heise,
    84 Christian: Kanäle für elektronische Beteiligungsformen
    85 (Beta), 2010. Online abrufbar unter:
    86 www.e-demokratie.org/elektronische-kanaele]
    87
    88 Das Medium Internet an sich ist nicht pauschal als
    89 Massenmedium einzustufen. Es kann ebenso der Massen- wie
    90 auch der Individualkommunikation dienen. Entscheidend dabei
    91 ist der einzelne Dienst, der genutzt wird. [ Vgl.:
    92 Holznagel, Bernd / Schumacher, Pascal in: Kloepfer, Michael
    93 (Hrsg.): Netzneutralität in der Informationsgesellschaft.
    94 2011, S. 47 (55).]So gibt es verschiedene Dienste im
    95 Internet, die zunächst einmal der Kommunikationsart
    96 zugeordnet werden müssen, um eine rechtliche Bewertung
    97 vornehmen zu können. Denn der Massenkommunikation kommt
    98 aufgrund der besonderen Meinungsmacht eine besondere
    99 Bedeutung innerhalb einer demokratischen Gesellschaft zu.
    100 [Vgl.: Koreng, Ansgar: Zensur im Internet. Der
    101 verfassungsrechtliche Schutz der digitalen
    102 Massenkommunikation. 2010, S. 40.]Eine generelle Einordnung
    103 der neuen Internetdienste in Individual- beziehungsweise
    104 Massenkommunikation ist schwierig, da es immer auf die
    105 konkrete Ausgestaltung des Dienstes und die jeweiligen
    106 persönlichen Einstellungen des Nutzers ankommt. Entscheidend
    107 für die Abgrenzung ist jedoch der Kreis der Adressaten, an
    108 die die Kommunikationsinhalte gerichtet sind. Ist der Inhalt
    109 an eine oder mehrere bestimmte Personen gerichtet, handelt
    110 es sich um Individualkommunikation. Ist der Inhalt dagegen
    111 an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet, liegt
    112 Massenkommunikation vor.
    113
    114 Unterschieden werden kann aber auch auf der Seite des
    115 Sich-Äußernden. Man fragt also danach, ob sich nur eine
    116 Person äußert oder mehrere Menschen Kommunikationsinhalte
    117 bereitstellen. Insofern gibt es die
    118 one-to-one-Kommunikation, die als Individualkommunikation
    119 einzuordnen ist, und die one-to-many-Kommunikation, die
    120 Massenkommunikation darstellt. Dabei ist zu beachten, dass
    121 unter one-to-one auch mehrere Adressaten angesprochen werden
    122 können, die jedoch bestimmt sind. Gleichsam ist many-to-one
    123 auch Individualkommunikation, wenn gilt, dass unter one auch
    124 mehrere Personen erfasst werden, die bestimmt sind.
    125 Many-to-many ist als Massenkommunikation aufzufassen. An
    126 dieser Einordnung orientiert sich auch die oben dargestellte
    127 Tabelle, die die verschiedenen Kanäle (Dienste) einer Art
    128 der Kommunikation (Massen- oder Individualkommunikation)
    129 zuteilt.
    130
    131 Als klassische Individualkommunikation sind die Mail-Dienste
    132 und die Internet-Telefonie einzustufen, da die
    133 Kommunikationsinhalte hier immer an eine bestimmte Person
    134 oder an einen bestimmten Personenkreis adressiert sind.
    135 Soziale Netzwerke beispielsweise können nicht pauschal als
    136 Massen- oder Individualkommunikation bezeichnet werden.
    137 Aufgrund der zahlreichen Funktionen und Dienste, die soziale
    138 Netzwerke zur Verfügung stellen, kommt es auf die spezielle
    139 Kommunikation an. So kann man über soziale Netzwerke
    140 netzwerkeigene Messenger-Programme nutzen, die wie Chats und
    141 Mails funktionieren. Dabei handelt es sich dann um
    142 Individualkommunikation. Die Möglichkeit über soziale
    143 Netzwerke Massenkommunikation zu betreiben, beginnt mit dem
    144 Öffentlichmachen von Informationen, indem zum Beispiel
    145 Informationen über die eigene Person preisgegeben werden.
    146 Aber auch in diesem Rahmen kann es sich durchaus um
    147 Individualkommunikation handeln, wenn nämlich über die
    148 Privatsphäre-Einstellungen wiederum nur ein begrenzter
    149 Personenkreis ausgewählt wird, dem die Informationen
    150 zugänglich sind. Dagegen sind Blogs und Foren, wenn sie
    151 nicht benutzereingeschränkt sind, als typische
    152 Massenkommunikation anzusehen.
    153
    154 4. Jedermann als Anbieter von Massenkommunikation
    155
    156 Heutzutage kann jede und jeder mit Hilfe des Internet
    157 Massenkommunikation betreiben. Die Beschränkung auf einige
    158 wenige wie große Zeitungsverlage und Rundfunkveranstalter
    159 ist aufgehoben. Somit muss auch die oder der Einzelne, wenn
    160 sie oder er Massenkommunikation betreibt, von Art. 5 I 2 GG
    161 geschützt sein, sobald es Sachverhalte betrifft, die über
    162 die Zulässigkeit der einzelnen Meinung hinausgehen.
    163 Problematisch ist nur, ob der Einzelne von der
    164 Pressefreiheit oder von der Rundfunkfreiheit erfasst wird
    165 oder gar unter den Schutz einer neuen Freiheit zu fassen
    166 ist.