Papier: 01.01.01.01 Anwendung der Kommunikationsgrundrechte auf Internetkommunikation, Lücken, Einordnungsschwierigkeiten - TEIL 6

Originalversion

1 VI. Lösungsvorschläge aus der Literatur
2
3 1. Abgrenzung Presse und Rundfunk
4
5 Es gibt verschiedene Ansichten in der Literatur, wie zu
6 Zeiten des Internet die Presse und der Rundfunk voneinander
7 abzugrenzen sind.
8
9 1.1 Nach der Verbreitungsform
10
11 Die herrschende Meinung im rechtswissenschaftlichen
12 Schrifttum geht davon aus, dass weiterhin nach der
13 Verbreitungsform (Verkörperung beziehungsweise
14 Nichtverkörperung) zu unterscheiden ist. [ Vgl.: Bethge,
15 Herbert in: Sachs, Michael: GG, 5. Aufl. 2009, Art. 5 Rn.
16 73a, 88 und Brand, Torsten: Rundfunk im Sinne des Artikel 5
17 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Analyse der Reichweite des
18 verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs unter besonderer
19 Berücksichtigung neuerer medialer Angebotsformen. 2002, S.
20 122 sowie Rudolf, Walter / Meng, Werner: Rechtliche
21 Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der
22 Breit¬bandkom¬muni¬ka¬tion für die Kirchen, S. 48 und Held,
23 Thorsten: Online-Angebote öffentlich-rechtlicher
24 Rundfunkanstalten. Eine Untersuchung des
25 verfassungsrechtlich geprägten und einfachgesetzlich
26 ausgestalteten Funktionsauftrages öffentlich-rechtlichen
27 Rundfunks im Hinblick auf Internet-Dienste. 2008, S. 81f.;
28 Scherer, Joachim: Telekommunikationsrecht und
29 Telekommunikationspolitik. 1985, S. 600 f.; Ders.: Der Staat
30 22 [1983], 347 (363); Ders.: NJW 1983, 1832 (1835) sowie
31 Starck, Christian in: v. Mangoldt, Hermann / Klein,
32 Friedrich / Starck, Christian: 5. Aufl. 2005, Art. 5 Rn. 59,
33 95, 99, 100, 102; Jarass, Hans D. in: ders. / Pieroth, Bodo:
34 GG, 10. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 24a, 36; Ders.: Gutachten zum
35 56. DJT, 1986, Rn. 13; Ders.: Online-Dienste und
36 Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens. 1997, S.
37 16 ff.; Schemmer, Franz in: Epping, Volker / Hillgruber,
38 Christian: Beck´scher OK, Stand 01.06.2010, Art. 5 Rn. 43,
39 56, 67 und Schulze-Fielitz, Helmuth in: Dreier, Horst: GG,
40 Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 91, 100.] Findet also eine
41 Verbreitung körperlich statt, handelt es sich um Presse.
42 Alle Verbreitungsarten über das Internet wären demzufolge
43 als Rundfunk einzustufen – gleich, ob es sich um eine
44 digitale Ausgabe einer gedruckten Zeitung handelt, die an
45 sich unstreitig als Presse einzustufen ist.
46
47 1.2 Typisches Erscheinungsbild der Medien: Rundfunk sind
48 Video- und Audiobeiträge, Presse sind Texte und Bilder
49
50 Nach anderer Auffassung. [ Vgl. Gersdorf, Hubertus: AfP
51 2010, 421, 422 ff.; Bullinger, Martin / Mestmäcker,
52 Ernst-Joachim: Multimediadienste. Struktur und staatliche
53 Aufgaben nach deutschem und europäischem Recht. 1997, S. 60
54 ff.; König, Eberhard: Die Teletexte. Versuch einer
55 verfassungsrechtlichen Einordnung. 1980, S. 123; Schmitt
56 Glaeser, Walter: Ka¬belkom¬mu¬¬ni¬¬kation und Ver¬fassung.
57 Das privatrechtliche Unternehmen im „Münchner Pilotprojet“.
58 1979, S. 190 ff.; Scholz, Rupert: Audiovisuelle Medien und
59 bun¬des¬¬¬staat¬liche Gesetzgebungskompetenz.
60 Verfassungsfragen zur rechtlichen Einordnung und
61 gesetzgeberischen Regelung der Bildträger. 1976, S. 50 ff.]
62 ist es unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation
63 nicht mehr zeitgemäß, für die Abgrenzung von Rundfunk und
64 Presse al¬lein auf das formale Kriterium der
65 Distributionsform abzustellen. Vielmehr erfolgt die
66 Abgrenzung nach dem typischen Erscheinungsbild des Mediums.
67 Entspricht das Erscheinungsbild eher der Presse
68 (Lesemedium), dann soll das Angebot auch als Presse
69 eingestuft werden. Wenn es von dem Erscheinungsbild eher dem
70 klassischen Rundfunk entspricht, wird das Angebot auch als
71 solcher eingestuft. Demzufolge sind nach dieser Auffassung
72 Angebote als Rundfunk einzustufen, wenn es sich um bewegte
73 Bilder handelt, unabhängig ob sie linear (gleichzeitig) oder
74 durch Abruftechnik vermittelt werden. Werden dagegen Texte,
75 stehende Bilder und Grafiken im Internet verbreitet, handelt
76 es sich um (das Lesemedium) Presse. Die Darstellung einer
77 Zeitung auf einem Pad oder die Darstellung eines Buches auf
78 einem E-Reader ist demnach Presse im verfassungsrechtlichen
79 Sinne.
80
81 Eine Ausnahme davon soll allerdings gelten: Werden
82 Textdienste nur ergänzend mit einem funktionalen Bezug zu
83 dem Rundfunkprogramm vermittelt, soll es sich trotz des
84 typischen Erscheinungsbildes nicht um Presse, sondern um
85 Rundfunk handeln, da der Textdienst eine programmbezogene
86 Annexfunktion erfüllt. Ebenso verhält es sich bei der
87 Einordnung von Video- und Audio-Angeboten, die ein
88 Textangebot nur begleiten oder ergänzen. Auch diese Angebote
89 werden dann aufgrund ihrer Annexfunktion als Presse
90 eingestuft. Ist aufgrund der Bedeutung des Beitrages nicht
91 mehr von einer untergeordneten oder ergänzenden Rolle
92 auszugehen, entfällt die Annexfunktion und der Beitrag ist
93 isoliert verfassungsrechtlich einzustufen.
94
95 Als Grund für diese Art der Abgrenzung wird auf die
96 Wesenszüge des Rundfunks abgestellt, die das BVerfG benannt
97 hat: Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft.
98 Hinsichtlich der ersten beiden Merkmale kann keine
99 Abgrenzung zur Pressefreiheit vorgenommen werden, weil
100 sowohl Presse als auch Rundfunk eine gewisse Breitenwirkung
101 aufweisen, da es sich um Massenmedien handelt. Hinsichtlich
102 der Aktualität konnte früher noch aufgrund der schnellen
103 Berichterstattung des Rundfunks im Gegensatz zur Presse, die
104 wegen des großen Distributionsaufwandes zeitlich wesentlich
105 versetzter erfolgte, abgegrenzt werden. Durch die
106 technischen Veränderungen können die Textangebote jedoch
107 teilweise schon genauso schnell, wenn nicht gar schneller
108 verbreitet werden, so dass auch dieses Abgrenzungskriterium
109 hinfällig ist. Es bleibt die Suggestivkraft. Die besondere
110 Suggestivkraft des Rundfunks ergibt sich aus der Kombination
111 von Text, Ton und bewegten Bildern (Spezifikum des
112 Fernsehens). Dadurch wird ein Anschein hoher Authentizität
113 vermittelt. Somit ergibt sich die Abgrenzung zwischen Presse
114 und Rundfunk zwischen stehendem Text und bewegten
115 Bildern/Ton.
116
117 Besondere Zuordnungsprobleme werfen diejenigen
118 (Misch-)Dienste auf, bei denen Texte, stehende Bilder und
119 Grafiken einerseits und Video- beziehungsweise Audiobeiträge
120 andererseits kombiniert werden. Auch insoweit gilt es, bei
121 der Abgrenzung der grundrechtlichen Schutzbereiche der
122 Presse- und der Rundfunkfreiheit zu differenzieren. Sofern
123 im Rahmen des Gesamtangebotes die Textelemente den Kern der
124 Kommunikation bilden und die Video- beziehungsweise
125 Audiobeiträge im Wesentlichen lediglich erläuternden und
126 ergänzenden Charakter haben, sind diese Beiträge kraft ihrer
127 Annexfunktion dem Grundrecht der Pressefreiheit zuzuordnen.
128 Umgekehrt ist das Grundrecht der Rundfunkfreiheit – in
129 Parallele zu der grundrechtlichen Einordung der
130 (Annex-)Textdienste klassischer Rundfunkveranstalter –
131 einschlägig, wenn die Textdienste Annex der Video- oder
132 Audiobeiträge sind.
133
134 3. Neues Grundrecht / Medienfreiheit /
135 Internetdienstefreiheit
136
137 Eine andere Ansicht sieht den Art. 5 I 2 GG als nicht
138 abschließend an. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Art.
139 5 I 2 GG ein einheitliches Massenkommunikationsgrundrecht
140 darstellt, welches als Mediengrundrecht zu verstehen ist;
141 die Aufzählungen von Presse, Rundfunk und Film seien nur
142 beispielhaft, also nicht abschließend. [ Vgl.: Koreng,
143 Ansgar: Zensur im Internet. Der verfassungsrechtliche Schutz
144 der digitalen Massenkommunikation. 2010, S. 98 ff. (100).]
145 Hinzu träte – ohne Verfassungsänderung – ein weiteres
146 Grundrecht, eine Internetdienstefreiheit, [Vgl. Holznagel,
147 Bernd / Schumacher, Pascal: Netzneutralität in der
148 Informationsgesellschaft. 2011, S. 59; . Ablehnend gegenüber
149 der Einführung einer neuen Internetdienstefreiheit: Hain,
150 Karl-E.: K&R 2012, 98 ff.] die inhaltlich mit der Kategorie
151 der Telemedien im Sinne des einfachen Rechts (TMG, RStV)
152 übereinstimmt. Abgegrenzt wird diese Internetdienstefreiheit
153 gegenüber der Presse durch die Verbreitungsform. Verkörperte
154 Kommunikationsinhalte sind Presse. Zum Rundfunk erfolgt eine
155 Abgrenzung durch die Linearität (gleichzeitiger Empfang).
156 Lineare Dienste sind – in Anlehnung an die AVMD-RL–
157 Rundfunk, alle übrigen Kommunikationsinhalte, die an die
158 Allgemeinheit gerichtet sind, fallen unter die
159 Internetdienstefreiheit. Von der neuen Freiheit sollen also
160 die elektronische Presse, Videodienste wie YouTube und auch
161 Mischdienste, die Text und Videos enthalten, erfasst sein. [
162 Vgl.: ebd.]
163
164 4. Einordnung des Jedermanns, der Massenkommunikation
165 betreibt
166
167 Sobald sich der Einzelne im Internet an eine unbestimmte
168 Vielzahl von Personen richtet, betreibt er
169 Massenkommunikation und ist mithin auch von den
170 Gewährleistungen des Art. 5 I 2 GG geschützt. Von welcher
171 Gewährleistung im Einzelnen entscheidet sich anhand der oben
172 genannten Ansichten – abhängig davon, wie man die
173 Internetaktivitäten grundrechtlich einstuft.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 VI. Lösungsvorschläge aus der Literatur
2
3 1. Abgrenzung Presse und Rundfunk
4
5 Es gibt verschiedene Ansichten in der Literatur, wie zu
6 Zeiten des Internet die Presse und der Rundfunk voneinander
7 abzugrenzen sind.
8
9 1.1 Nach der Verbreitungsform
10
11 Die herrschende Meinung im rechtswissenschaftlichen
12 Schrifttum geht davon aus, dass weiterhin nach der
13 Verbreitungsform (Verkörperung beziehungsweise
14 Nichtverkörperung) zu unterscheiden ist. [ Vgl.: Bethge,
15 Herbert in: Sachs, Michael: GG, 5. Aufl. 2009, Art. 5 Rn.
16 73a, 88 und Brand, Torsten: Rundfunk im Sinne des Artikel 5
17 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Analyse der Reichweite des
18 verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs unter besonderer
19 Berücksichtigung neuerer medialer Angebotsformen. 2002, S.
20 122 sowie Rudolf, Walter / Meng, Werner: Rechtliche
21 Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der
22 Breit¬bandkom¬muni¬ka¬tion für die Kirchen, S. 48 und Held,
23 Thorsten: Online-Angebote öffentlich-rechtlicher
24 Rundfunkanstalten. Eine Untersuchung des
25 verfassungsrechtlich geprägten und einfachgesetzlich
26 ausgestalteten Funktionsauftrages öffentlich-rechtlichen
27 Rundfunks im Hinblick auf Internet-Dienste. 2008, S. 81f.;
28 Scherer, Joachim: Telekommunikationsrecht und
29 Telekommunikationspolitik. 1985, S. 600 f.; Ders.: Der Staat
30 22 [1983], 347 (363); Ders.: NJW 1983, 1832 (1835) sowie
31 Starck, Christian in: v. Mangoldt, Hermann / Klein,
32 Friedrich / Starck, Christian: 5. Aufl. 2005, Art. 5 Rn. 59,
33 95, 99, 100, 102; Jarass, Hans D. in: ders. / Pieroth, Bodo:
34 GG, 10. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 24a, 36; Ders.: Gutachten zum
35 56. DJT, 1986, Rn. 13; Ders.: Online-Dienste und
36 Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens. 1997, S.
37 16 ff.; Schemmer, Franz in: Epping, Volker / Hillgruber,
38 Christian: Beck´scher OK, Stand 01.06.2010, Art. 5 Rn. 43,
39 56, 67 und Schulze-Fielitz, Helmuth in: Dreier, Horst: GG,
40 Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 91, 100.] Findet also eine
41 Verbreitung körperlich statt, handelt es sich um Presse.
42 Alle Verbreitungsarten über das Internet wären demzufolge
43 als Rundfunk einzustufen – gleich, ob es sich um eine
44 digitale Ausgabe einer gedruckten Zeitung handelt, die an
45 sich unstreitig als Presse einzustufen ist.
46
47 1.2 Typisches Erscheinungsbild der Medien: Rundfunk sind
48 Video- und Audiobeiträge, Presse sind Texte und Bilder
49
50 Nach anderer Auffassung. [ Vgl. Gersdorf, Hubertus: AfP
51 2010, 421, 422 ff.; Bullinger, Martin / Mestmäcker,
52 Ernst-Joachim: Multimediadienste. Struktur und staatliche
53 Aufgaben nach deutschem und europäischem Recht. 1997, S. 60
54 ff.; König, Eberhard: Die Teletexte. Versuch einer
55 verfassungsrechtlichen Einordnung. 1980, S. 123; Schmitt
56 Glaeser, Walter: Ka¬belkom¬mu¬¬ni¬¬kation und Ver¬fassung.
57 Das privatrechtliche Unternehmen im „Münchner Pilotprojet“.
58 1979, S. 190 ff.; Scholz, Rupert: Audiovisuelle Medien und
59 bun¬des¬¬¬staat¬liche Gesetzgebungskompetenz.
60 Verfassungsfragen zur rechtlichen Einordnung und
61 gesetzgeberischen Regelung der Bildträger. 1976, S. 50 ff.]
62 ist es unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation
63 nicht mehr zeitgemäß, für die Abgrenzung von Rundfunk und
64 Presse al¬lein auf das formale Kriterium der
65 Distributionsform abzustellen. Vielmehr erfolgt die
66 Abgrenzung nach dem typischen Erscheinungsbild des Mediums.
67 Entspricht das Erscheinungsbild eher der Presse
68 (Lesemedium), dann soll das Angebot auch als Presse
69 eingestuft werden. Wenn es von dem Erscheinungsbild eher dem
70 klassischen Rundfunk entspricht, wird das Angebot auch als
71 solcher eingestuft. Demzufolge sind nach dieser Auffassung
72 Angebote als Rundfunk einzustufen, wenn es sich um bewegte
73 Bilder handelt, unabhängig ob sie linear (gleichzeitig) oder
74 durch Abruftechnik vermittelt werden. Werden dagegen Texte,
75 stehende Bilder und Grafiken im Internet verbreitet, handelt
76 es sich um (das Lesemedium) Presse. Die Darstellung einer
77 Zeitung auf einem Pad oder die Darstellung eines Buches auf
78 einem E-Reader ist demnach Presse im verfassungsrechtlichen
79 Sinne.
80
81 Eine Ausnahme davon soll allerdings gelten: Werden
82 Textdienste nur ergänzend mit einem funktionalen Bezug zu
83 dem Rundfunkprogramm vermittelt, soll es sich trotz des
84 typischen Erscheinungsbildes nicht um Presse, sondern um
85 Rundfunk handeln, da der Textdienst eine programmbezogene
86 Annexfunktion erfüllt. Ebenso verhält es sich bei der
87 Einordnung von Video- und Audio-Angeboten, die ein
88 Textangebot nur begleiten oder ergänzen. Auch diese Angebote
89 werden dann aufgrund ihrer Annexfunktion als Presse
90 eingestuft. Ist aufgrund der Bedeutung des Beitrages nicht
91 mehr von einer untergeordneten oder ergänzenden Rolle
92 auszugehen, entfällt die Annexfunktion und der Beitrag ist
93 isoliert verfassungsrechtlich einzustufen.
94
95 Als Grund für diese Art der Abgrenzung wird auf die
96 Wesenszüge des Rundfunks abgestellt, die das BVerfG benannt
97 hat: Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft.
98 Hinsichtlich der ersten beiden Merkmale kann keine
99 Abgrenzung zur Pressefreiheit vorgenommen werden, weil
100 sowohl Presse als auch Rundfunk eine gewisse Breitenwirkung
101 aufweisen, da es sich um Massenmedien handelt. Hinsichtlich
102 der Aktualität konnte früher noch aufgrund der schnellen
103 Berichterstattung des Rundfunks im Gegensatz zur Presse, die
104 wegen des großen Distributionsaufwandes zeitlich wesentlich
105 versetzter erfolgte, abgegrenzt werden. Durch die
106 technischen Veränderungen können die Textangebote jedoch
107 teilweise schon genauso schnell, wenn nicht gar schneller
108 verbreitet werden, so dass auch dieses Abgrenzungskriterium
109 hinfällig ist. Es bleibt die Suggestivkraft. Die besondere
110 Suggestivkraft des Rundfunks ergibt sich aus der Kombination
111 von Text, Ton und bewegten Bildern (Spezifikum des
112 Fernsehens). Dadurch wird ein Anschein hoher Authentizität
113 vermittelt. Somit ergibt sich die Abgrenzung zwischen Presse
114 und Rundfunk zwischen stehendem Text und bewegten
115 Bildern/Ton.
116
117 Besondere Zuordnungsprobleme werfen diejenigen
118 (Misch-)Dienste auf, bei denen Texte, stehende Bilder und
119 Grafiken einerseits und Video- beziehungsweise Audiobeiträge
120 andererseits kombiniert werden. Auch insoweit gilt es, bei
121 der Abgrenzung der grundrechtlichen Schutzbereiche der
122 Presse- und der Rundfunkfreiheit zu differenzieren. Sofern
123 im Rahmen des Gesamtangebotes die Textelemente den Kern der
124 Kommunikation bilden und die Video- beziehungsweise
125 Audiobeiträge im Wesentlichen lediglich erläuternden und
126 ergänzenden Charakter haben, sind diese Beiträge kraft ihrer
127 Annexfunktion dem Grundrecht der Pressefreiheit zuzuordnen.
128 Umgekehrt ist das Grundrecht der Rundfunkfreiheit – in
129 Parallele zu der grundrechtlichen Einordung der
130 (Annex-)Textdienste klassischer Rundfunkveranstalter –
131 einschlägig, wenn die Textdienste Annex der Video- oder
132 Audiobeiträge sind.
133
134 3. Neues Grundrecht / Medienfreiheit /
135 Internetdienstefreiheit
136
137 Eine andere Ansicht sieht den Art. 5 I 2 GG als nicht
138 abschließend an. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Art.
139 5 I 2 GG ein einheitliches Massenkommunikationsgrundrecht
140 darstellt, welches als Mediengrundrecht zu verstehen ist;
141 die Aufzählungen von Presse, Rundfunk und Film seien nur
142 beispielhaft, also nicht abschließend. [ Vgl.: Koreng,
143 Ansgar: Zensur im Internet. Der verfassungsrechtliche Schutz
144 der digitalen Massenkommunikation. 2010, S. 98 ff. (100).]
145 Hinzu träte – ohne Verfassungsänderung – ein weiteres
146 Grundrecht, eine Internetdienstefreiheit, [Vgl. Holznagel,
147 Bernd / Schumacher, Pascal: Netzneutralität in der
148 Informationsgesellschaft. 2011, S. 59; . Ablehnend gegenüber
149 der Einführung einer neuen Internetdienstefreiheit: Hain,
150 Karl-E.: K&R 2012, 98 ff.] die inhaltlich mit der Kategorie
151 der Telemedien im Sinne des einfachen Rechts (TMG, RStV)
152 übereinstimmt. Abgegrenzt wird diese Internetdienstefreiheit
153 gegenüber der Presse durch die Verbreitungsform. Verkörperte
154 Kommunikationsinhalte sind Presse. Zum Rundfunk erfolgt eine
155 Abgrenzung durch die Linearität (gleichzeitiger Empfang).
156 Lineare Dienste sind – in Anlehnung an die AVMD-RL–
157 Rundfunk, alle übrigen Kommunikationsinhalte, die an die
158 Allgemeinheit gerichtet sind, fallen unter die
159 Internetdienstefreiheit. Von der neuen Freiheit sollen also
160 die elektronische Presse, Videodienste wie YouTube und auch
161 Mischdienste, die Text und Videos enthalten, erfasst sein. [
162 Vgl.: ebd.]
163
164 4. Einordnung des Jedermanns, der Massenkommunikation
165 betreibt
166
167 Sobald sich der Einzelne im Internet an eine unbestimmte
168 Vielzahl von Personen richtet, betreibt er
169 Massenkommunikation und ist mithin auch von den
170 Gewährleistungen des Art. 5 I 2 GG geschützt. Von welcher
171 Gewährleistung im Einzelnen entscheidet sich anhand der oben
172 genannten Ansichten – abhängig davon, wie man die
173 Internetaktivitäten grundrechtlich einstuft.

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