Papier: 01.01.01.01 Anwendung der Kommunikationsgrundrechte auf Internetkommunikation, Lücken, Einordnungsschwierigkeiten - TEIL 6
Originalversion
1 | VI. Lösungsvorschläge aus der Literatur |
2 | |
3 | 1. Abgrenzung Presse und Rundfunk |
4 | |
5 | Es gibt verschiedene Ansichten in der Literatur, wie zu |
6 | Zeiten des Internet die Presse und der Rundfunk voneinander |
7 | abzugrenzen sind. |
8 | |
9 | 1.1 Nach der Verbreitungsform |
10 | |
11 | Die herrschende Meinung im rechtswissenschaftlichen |
12 | Schrifttum geht davon aus, dass weiterhin nach der |
13 | Verbreitungsform (Verkörperung beziehungsweise |
14 | Nichtverkörperung) zu unterscheiden ist. [ Vgl.: Bethge, |
15 | Herbert in: Sachs, Michael: GG, 5. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. |
16 | 73a, 88 und Brand, Torsten: Rundfunk im Sinne des Artikel 5 |
17 | Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Analyse der Reichweite des |
18 | verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs unter besonderer |
19 | Berücksichtigung neuerer medialer Angebotsformen. 2002, S. |
20 | 122 sowie Rudolf, Walter / Meng, Werner: Rechtliche |
21 | Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der |
22 | Breit¬bandkom¬muni¬ka¬tion für die Kirchen, S. 48 und Held, |
23 | Thorsten: Online-Angebote öffentlich-rechtlicher |
24 | Rundfunkanstalten. Eine Untersuchung des |
25 | verfassungsrechtlich geprägten und einfachgesetzlich |
26 | ausgestalteten Funktionsauftrages öffentlich-rechtlichen |
27 | Rundfunks im Hinblick auf Internet-Dienste. 2008, S. 81f.; |
28 | Scherer, Joachim: Telekommunikationsrecht und |
29 | Telekommunikationspolitik. 1985, S. 600 f.; Ders.: Der Staat |
30 | 22 [1983], 347 (363); Ders.: NJW 1983, 1832 (1835) sowie |
31 | Starck, Christian in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, |
32 | Friedrich / Starck, Christian: 5. Aufl. 2005, Art. 5 Rn. 59, |
33 | 95, 99, 100, 102; Jarass, Hans D. in: ders. / Pieroth, Bodo: |
34 | GG, 10. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 24a, 36; Ders.: Gutachten zum |
35 | 56. DJT, 1986, Rn. 13; Ders.: Online-Dienste und |
36 | Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens. 1997, S. |
37 | 16 ff.; Schemmer, Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, |
38 | Christian: Beck´scher OK, Stand 01.06.2010, Art. 5 Rn. 43, |
39 | 56, 67 und Schulze-Fielitz, Helmuth in: Dreier, Horst: GG, |
40 | Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 91, 100.] Findet also eine |
41 | Verbreitung körperlich statt, handelt es sich um Presse. |
42 | Alle Verbreitungsarten über das Internet wären demzufolge |
43 | als Rundfunk einzustufen – gleich, ob es sich um eine |
44 | digitale Ausgabe einer gedruckten Zeitung handelt, die an |
45 | sich unstreitig als Presse einzustufen ist. |
46 | |
47 | 1.2 Typisches Erscheinungsbild der Medien: Rundfunk sind |
48 | Video- und Audiobeiträge, Presse sind Texte und Bilder |
49 | |
50 | Nach anderer Auffassung. [ Vgl. Gersdorf, Hubertus: AfP |
51 | 2010, 421, 422 ff.; Bullinger, Martin / Mestmäcker, |
52 | Ernst-Joachim: Multimediadienste. Struktur und staatliche |
53 | Aufgaben nach deutschem und europäischem Recht. 1997, S. 60 |
54 | ff.; König, Eberhard: Die Teletexte. Versuch einer |
55 | verfassungsrechtlichen Einordnung. 1980, S. 123; Schmitt |
56 | Glaeser, Walter: Ka¬belkom¬mu¬¬ni¬¬kation und Ver¬fassung. |
57 | Das privatrechtliche Unternehmen im „Münchner Pilotprojet“. |
58 | 1979, S. 190 ff.; Scholz, Rupert: Audiovisuelle Medien und |
59 | bun¬des¬¬¬staat¬liche Gesetzgebungskompetenz. |
60 | Verfassungsfragen zur rechtlichen Einordnung und |
61 | gesetzgeberischen Regelung der Bildträger. 1976, S. 50 ff.] |
62 | ist es unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation |
63 | nicht mehr zeitgemäß, für die Abgrenzung von Rundfunk und |
64 | Presse al¬lein auf das formale Kriterium der |
65 | Distributionsform abzustellen. Vielmehr erfolgt die |
66 | Abgrenzung nach dem typischen Erscheinungsbild des Mediums. |
67 | Entspricht das Erscheinungsbild eher der Presse |
68 | (Lesemedium), dann soll das Angebot auch als Presse |
69 | eingestuft werden. Wenn es von dem Erscheinungsbild eher dem |
70 | klassischen Rundfunk entspricht, wird das Angebot auch als |
71 | solcher eingestuft. Demzufolge sind nach dieser Auffassung |
72 | Angebote als Rundfunk einzustufen, wenn es sich um bewegte |
73 | Bilder handelt, unabhängig ob sie linear (gleichzeitig) oder |
74 | durch Abruftechnik vermittelt werden. Werden dagegen Texte, |
75 | stehende Bilder und Grafiken im Internet verbreitet, handelt |
76 | es sich um (das Lesemedium) Presse. Die Darstellung einer |
77 | Zeitung auf einem Pad oder die Darstellung eines Buches auf |
78 | einem E-Reader ist demnach Presse im verfassungsrechtlichen |
79 | Sinne. |
80 | |
81 | Eine Ausnahme davon soll allerdings gelten: Werden |
82 | Textdienste nur ergänzend mit einem funktionalen Bezug zu |
83 | dem Rundfunkprogramm vermittelt, soll es sich trotz des |
84 | typischen Erscheinungsbildes nicht um Presse, sondern um |
85 | Rundfunk handeln, da der Textdienst eine programmbezogene |
86 | Annexfunktion erfüllt. Ebenso verhält es sich bei der |
87 | Einordnung von Video- und Audio-Angeboten, die ein |
88 | Textangebot nur begleiten oder ergänzen. Auch diese Angebote |
89 | werden dann aufgrund ihrer Annexfunktion als Presse |
90 | eingestuft. Ist aufgrund der Bedeutung des Beitrages nicht |
91 | mehr von einer untergeordneten oder ergänzenden Rolle |
92 | auszugehen, entfällt die Annexfunktion und der Beitrag ist |
93 | isoliert verfassungsrechtlich einzustufen. |
94 | |
95 | Als Grund für diese Art der Abgrenzung wird auf die |
96 | Wesenszüge des Rundfunks abgestellt, die das BVerfG benannt |
97 | hat: Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft. |
98 | Hinsichtlich der ersten beiden Merkmale kann keine |
99 | Abgrenzung zur Pressefreiheit vorgenommen werden, weil |
100 | sowohl Presse als auch Rundfunk eine gewisse Breitenwirkung |
101 | aufweisen, da es sich um Massenmedien handelt. Hinsichtlich |
102 | der Aktualität konnte früher noch aufgrund der schnellen |
103 | Berichterstattung des Rundfunks im Gegensatz zur Presse, die |
104 | wegen des großen Distributionsaufwandes zeitlich wesentlich |
105 | versetzter erfolgte, abgegrenzt werden. Durch die |
106 | technischen Veränderungen können die Textangebote jedoch |
107 | teilweise schon genauso schnell, wenn nicht gar schneller |
108 | verbreitet werden, so dass auch dieses Abgrenzungskriterium |
109 | hinfällig ist. Es bleibt die Suggestivkraft. Die besondere |
110 | Suggestivkraft des Rundfunks ergibt sich aus der Kombination |
111 | von Text, Ton und bewegten Bildern (Spezifikum des |
112 | Fernsehens). Dadurch wird ein Anschein hoher Authentizität |
113 | vermittelt. Somit ergibt sich die Abgrenzung zwischen Presse |
114 | und Rundfunk zwischen stehendem Text und bewegten |
115 | Bildern/Ton. |
116 | |
117 | Besondere Zuordnungsprobleme werfen diejenigen |
118 | (Misch-)Dienste auf, bei denen Texte, stehende Bilder und |
119 | Grafiken einerseits und Video- beziehungsweise Audiobeiträge |
120 | andererseits kombiniert werden. Auch insoweit gilt es, bei |
121 | der Abgrenzung der grundrechtlichen Schutzbereiche der |
122 | Presse- und der Rundfunkfreiheit zu differenzieren. Sofern |
123 | im Rahmen des Gesamtangebotes die Textelemente den Kern der |
124 | Kommunikation bilden und die Video- beziehungsweise |
125 | Audiobeiträge im Wesentlichen lediglich erläuternden und |
126 | ergänzenden Charakter haben, sind diese Beiträge kraft ihrer |
127 | Annexfunktion dem Grundrecht der Pressefreiheit zuzuordnen. |
128 | Umgekehrt ist das Grundrecht der Rundfunkfreiheit – in |
129 | Parallele zu der grundrechtlichen Einordung der |
130 | (Annex-)Textdienste klassischer Rundfunkveranstalter – |
131 | einschlägig, wenn die Textdienste Annex der Video- oder |
132 | Audiobeiträge sind. |
133 | |
134 | 3. Neues Grundrecht / Medienfreiheit / |
135 | Internetdienstefreiheit |
136 | |
137 | Eine andere Ansicht sieht den Art. 5 I 2 GG als nicht |
138 | abschließend an. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Art. |
139 | 5 I 2 GG ein einheitliches Massenkommunikationsgrundrecht |
140 | darstellt, welches als Mediengrundrecht zu verstehen ist; |
141 | die Aufzählungen von Presse, Rundfunk und Film seien nur |
142 | beispielhaft, also nicht abschließend. [ Vgl.: Koreng, |
143 | Ansgar: Zensur im Internet. Der verfassungsrechtliche Schutz |
144 | der digitalen Massenkommunikation. 2010, S. 98 ff. (100).] |
145 | Hinzu träte – ohne Verfassungsänderung – ein weiteres |
146 | Grundrecht, eine Internetdienstefreiheit, [Vgl. Holznagel, |
147 | Bernd / Schumacher, Pascal: Netzneutralität in der |
148 | Informationsgesellschaft. 2011, S. 59; . Ablehnend gegenüber |
149 | der Einführung einer neuen Internetdienstefreiheit: Hain, |
150 | Karl-E.: K&R 2012, 98 ff.] die inhaltlich mit der Kategorie |
151 | der Telemedien im Sinne des einfachen Rechts (TMG, RStV) |
152 | übereinstimmt. Abgegrenzt wird diese Internetdienstefreiheit |
153 | gegenüber der Presse durch die Verbreitungsform. Verkörperte |
154 | Kommunikationsinhalte sind Presse. Zum Rundfunk erfolgt eine |
155 | Abgrenzung durch die Linearität (gleichzeitiger Empfang). |
156 | Lineare Dienste sind – in Anlehnung an die AVMD-RL– |
157 | Rundfunk, alle übrigen Kommunikationsinhalte, die an die |
158 | Allgemeinheit gerichtet sind, fallen unter die |
159 | Internetdienstefreiheit. Von der neuen Freiheit sollen also |
160 | die elektronische Presse, Videodienste wie YouTube und auch |
161 | Mischdienste, die Text und Videos enthalten, erfasst sein. [ |
162 | Vgl.: ebd.] |
163 | |
164 | 4. Einordnung des Jedermanns, der Massenkommunikation |
165 | betreibt |
166 | |
167 | Sobald sich der Einzelne im Internet an eine unbestimmte |
168 | Vielzahl von Personen richtet, betreibt er |
169 | Massenkommunikation und ist mithin auch von den |
170 | Gewährleistungen des Art. 5 I 2 GG geschützt. Von welcher |
171 | Gewährleistung im Einzelnen entscheidet sich anhand der oben |
172 | genannten Ansichten – abhängig davon, wie man die |
173 | Internetaktivitäten grundrechtlich einstuft. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | VI. Lösungsvorschläge aus der Literatur |
2 | |
3 | 1. Abgrenzung Presse und Rundfunk |
4 | |
5 | Es gibt verschiedene Ansichten in der Literatur, wie zu |
6 | Zeiten des Internet die Presse und der Rundfunk voneinander |
7 | abzugrenzen sind. |
8 | |
9 | 1.1 Nach der Verbreitungsform |
10 | |
11 | Die herrschende Meinung im rechtswissenschaftlichen |
12 | Schrifttum geht davon aus, dass weiterhin nach der |
13 | Verbreitungsform (Verkörperung beziehungsweise |
14 | Nichtverkörperung) zu unterscheiden ist. [ Vgl.: Bethge, |
15 | Herbert in: Sachs, Michael: GG, 5. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. |
16 | 73a, 88 und Brand, Torsten: Rundfunk im Sinne des Artikel 5 |
17 | Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Analyse der Reichweite des |
18 | verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs unter besonderer |
19 | Berücksichtigung neuerer medialer Angebotsformen. 2002, S. |
20 | 122 sowie Rudolf, Walter / Meng, Werner: Rechtliche |
21 | Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der |
22 | Breit¬bandkom¬muni¬ka¬tion für die Kirchen, S. 48 und Held, |
23 | Thorsten: Online-Angebote öffentlich-rechtlicher |
24 | Rundfunkanstalten. Eine Untersuchung des |
25 | verfassungsrechtlich geprägten und einfachgesetzlich |
26 | ausgestalteten Funktionsauftrages öffentlich-rechtlichen |
27 | Rundfunks im Hinblick auf Internet-Dienste. 2008, S. 81f.; |
28 | Scherer, Joachim: Telekommunikationsrecht und |
29 | Telekommunikationspolitik. 1985, S. 600 f.; Ders.: Der Staat |
30 | 22 [1983], 347 (363); Ders.: NJW 1983, 1832 (1835) sowie |
31 | Starck, Christian in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, |
32 | Friedrich / Starck, Christian: 5. Aufl. 2005, Art. 5 Rn. 59, |
33 | 95, 99, 100, 102; Jarass, Hans D. in: ders. / Pieroth, Bodo: |
34 | GG, 10. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 24a, 36; Ders.: Gutachten zum |
35 | 56. DJT, 1986, Rn. 13; Ders.: Online-Dienste und |
36 | Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens. 1997, S. |
37 | 16 ff.; Schemmer, Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, |
38 | Christian: Beck´scher OK, Stand 01.06.2010, Art. 5 Rn. 43, |
39 | 56, 67 und Schulze-Fielitz, Helmuth in: Dreier, Horst: GG, |
40 | Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 91, 100.] Findet also eine |
41 | Verbreitung körperlich statt, handelt es sich um Presse. |
42 | Alle Verbreitungsarten über das Internet wären demzufolge |
43 | als Rundfunk einzustufen – gleich, ob es sich um eine |
44 | digitale Ausgabe einer gedruckten Zeitung handelt, die an |
45 | sich unstreitig als Presse einzustufen ist. |
46 | |
47 | 1.2 Typisches Erscheinungsbild der Medien: Rundfunk sind |
48 | Video- und Audiobeiträge, Presse sind Texte und Bilder |
49 | |
50 | Nach anderer Auffassung. [ Vgl. Gersdorf, Hubertus: AfP |
51 | 2010, 421, 422 ff.; Bullinger, Martin / Mestmäcker, |
52 | Ernst-Joachim: Multimediadienste. Struktur und staatliche |
53 | Aufgaben nach deutschem und europäischem Recht. 1997, S. 60 |
54 | ff.; König, Eberhard: Die Teletexte. Versuch einer |
55 | verfassungsrechtlichen Einordnung. 1980, S. 123; Schmitt |
56 | Glaeser, Walter: Ka¬belkom¬mu¬¬ni¬¬kation und Ver¬fassung. |
57 | Das privatrechtliche Unternehmen im „Münchner Pilotprojet“. |
58 | 1979, S. 190 ff.; Scholz, Rupert: Audiovisuelle Medien und |
59 | bun¬des¬¬¬staat¬liche Gesetzgebungskompetenz. |
60 | Verfassungsfragen zur rechtlichen Einordnung und |
61 | gesetzgeberischen Regelung der Bildträger. 1976, S. 50 ff.] |
62 | ist es unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation |
63 | nicht mehr zeitgemäß, für die Abgrenzung von Rundfunk und |
64 | Presse al¬lein auf das formale Kriterium der |
65 | Distributionsform abzustellen. Vielmehr erfolgt die |
66 | Abgrenzung nach dem typischen Erscheinungsbild des Mediums. |
67 | Entspricht das Erscheinungsbild eher der Presse |
68 | (Lesemedium), dann soll das Angebot auch als Presse |
69 | eingestuft werden. Wenn es von dem Erscheinungsbild eher dem |
70 | klassischen Rundfunk entspricht, wird das Angebot auch als |
71 | solcher eingestuft. Demzufolge sind nach dieser Auffassung |
72 | Angebote als Rundfunk einzustufen, wenn es sich um bewegte |
73 | Bilder handelt, unabhängig ob sie linear (gleichzeitig) oder |
74 | durch Abruftechnik vermittelt werden. Werden dagegen Texte, |
75 | stehende Bilder und Grafiken im Internet verbreitet, handelt |
76 | es sich um (das Lesemedium) Presse. Die Darstellung einer |
77 | Zeitung auf einem Pad oder die Darstellung eines Buches auf |
78 | einem E-Reader ist demnach Presse im verfassungsrechtlichen |
79 | Sinne. |
80 | |
81 | Eine Ausnahme davon soll allerdings gelten: Werden |
82 | Textdienste nur ergänzend mit einem funktionalen Bezug zu |
83 | dem Rundfunkprogramm vermittelt, soll es sich trotz des |
84 | typischen Erscheinungsbildes nicht um Presse, sondern um |
85 | Rundfunk handeln, da der Textdienst eine programmbezogene |
86 | Annexfunktion erfüllt. Ebenso verhält es sich bei der |
87 | Einordnung von Video- und Audio-Angeboten, die ein |
88 | Textangebot nur begleiten oder ergänzen. Auch diese Angebote |
89 | werden dann aufgrund ihrer Annexfunktion als Presse |
90 | eingestuft. Ist aufgrund der Bedeutung des Beitrages nicht |
91 | mehr von einer untergeordneten oder ergänzenden Rolle |
92 | auszugehen, entfällt die Annexfunktion und der Beitrag ist |
93 | isoliert verfassungsrechtlich einzustufen. |
94 | |
95 | Als Grund für diese Art der Abgrenzung wird auf die |
96 | Wesenszüge des Rundfunks abgestellt, die das BVerfG benannt |
97 | hat: Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft. |
98 | Hinsichtlich der ersten beiden Merkmale kann keine |
99 | Abgrenzung zur Pressefreiheit vorgenommen werden, weil |
100 | sowohl Presse als auch Rundfunk eine gewisse Breitenwirkung |
101 | aufweisen, da es sich um Massenmedien handelt. Hinsichtlich |
102 | der Aktualität konnte früher noch aufgrund der schnellen |
103 | Berichterstattung des Rundfunks im Gegensatz zur Presse, die |
104 | wegen des großen Distributionsaufwandes zeitlich wesentlich |
105 | versetzter erfolgte, abgegrenzt werden. Durch die |
106 | technischen Veränderungen können die Textangebote jedoch |
107 | teilweise schon genauso schnell, wenn nicht gar schneller |
108 | verbreitet werden, so dass auch dieses Abgrenzungskriterium |
109 | hinfällig ist. Es bleibt die Suggestivkraft. Die besondere |
110 | Suggestivkraft des Rundfunks ergibt sich aus der Kombination |
111 | von Text, Ton und bewegten Bildern (Spezifikum des |
112 | Fernsehens). Dadurch wird ein Anschein hoher Authentizität |
113 | vermittelt. Somit ergibt sich die Abgrenzung zwischen Presse |
114 | und Rundfunk zwischen stehendem Text und bewegten |
115 | Bildern/Ton. |
116 | |
117 | Besondere Zuordnungsprobleme werfen diejenigen |
118 | (Misch-)Dienste auf, bei denen Texte, stehende Bilder und |
119 | Grafiken einerseits und Video- beziehungsweise Audiobeiträge |
120 | andererseits kombiniert werden. Auch insoweit gilt es, bei |
121 | der Abgrenzung der grundrechtlichen Schutzbereiche der |
122 | Presse- und der Rundfunkfreiheit zu differenzieren. Sofern |
123 | im Rahmen des Gesamtangebotes die Textelemente den Kern der |
124 | Kommunikation bilden und die Video- beziehungsweise |
125 | Audiobeiträge im Wesentlichen lediglich erläuternden und |
126 | ergänzenden Charakter haben, sind diese Beiträge kraft ihrer |
127 | Annexfunktion dem Grundrecht der Pressefreiheit zuzuordnen. |
128 | Umgekehrt ist das Grundrecht der Rundfunkfreiheit – in |
129 | Parallele zu der grundrechtlichen Einordung der |
130 | (Annex-)Textdienste klassischer Rundfunkveranstalter – |
131 | einschlägig, wenn die Textdienste Annex der Video- oder |
132 | Audiobeiträge sind. |
133 | |
134 | 3. Neues Grundrecht / Medienfreiheit / |
135 | Internetdienstefreiheit |
136 | |
137 | Eine andere Ansicht sieht den Art. 5 I 2 GG als nicht |
138 | abschließend an. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass Art. |
139 | 5 I 2 GG ein einheitliches Massenkommunikationsgrundrecht |
140 | darstellt, welches als Mediengrundrecht zu verstehen ist; |
141 | die Aufzählungen von Presse, Rundfunk und Film seien nur |
142 | beispielhaft, also nicht abschließend. [ Vgl.: Koreng, |
143 | Ansgar: Zensur im Internet. Der verfassungsrechtliche Schutz |
144 | der digitalen Massenkommunikation. 2010, S. 98 ff. (100).] |
145 | Hinzu träte – ohne Verfassungsänderung – ein weiteres |
146 | Grundrecht, eine Internetdienstefreiheit, [Vgl. Holznagel, |
147 | Bernd / Schumacher, Pascal: Netzneutralität in der |
148 | Informationsgesellschaft. 2011, S. 59; . Ablehnend gegenüber |
149 | der Einführung einer neuen Internetdienstefreiheit: Hain, |
150 | Karl-E.: K&R 2012, 98 ff.] die inhaltlich mit der Kategorie |
151 | der Telemedien im Sinne des einfachen Rechts (TMG, RStV) |
152 | übereinstimmt. Abgegrenzt wird diese Internetdienstefreiheit |
153 | gegenüber der Presse durch die Verbreitungsform. Verkörperte |
154 | Kommunikationsinhalte sind Presse. Zum Rundfunk erfolgt eine |
155 | Abgrenzung durch die Linearität (gleichzeitiger Empfang). |
156 | Lineare Dienste sind – in Anlehnung an die AVMD-RL– |
157 | Rundfunk, alle übrigen Kommunikationsinhalte, die an die |
158 | Allgemeinheit gerichtet sind, fallen unter die |
159 | Internetdienstefreiheit. Von der neuen Freiheit sollen also |
160 | die elektronische Presse, Videodienste wie YouTube und auch |
161 | Mischdienste, die Text und Videos enthalten, erfasst sein. [ |
162 | Vgl.: ebd.] |
163 | |
164 | 4. Einordnung des Jedermanns, der Massenkommunikation |
165 | betreibt |
166 | |
167 | Sobald sich der Einzelne im Internet an eine unbestimmte |
168 | Vielzahl von Personen richtet, betreibt er |
169 | Massenkommunikation und ist mithin auch von den |
170 | Gewährleistungen des Art. 5 I 2 GG geschützt. Von welcher |
171 | Gewährleistung im Einzelnen entscheidet sich anhand der oben |
172 | genannten Ansichten – abhängig davon, wie man die |
173 | Internetaktivitäten grundrechtlich einstuft. |
-
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