Papier: 01.01.01.01 Anwendung der Kommunikationsgrundrechte auf Internetkommunikation, Lücken, Einordnungsschwierigkeiten - TEIL 1
Originalversion
| 1 | Im Internet findet sich eine Vielzahl von Diensten, deren |
| 2 | grundrechtliche Einordnung zum Teil erhebliche |
| 3 | Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden geht es allein darum, |
| 4 | ob und unter welchen Voraussetzungen die verschiedenen |
| 5 | Formen der Internetkommunikation dem Schutz der |
| 6 | Kommunikationsgrundrechte im Sinne des Art. 5 GG |
| 7 | unterfallen. Hierbei werden zunächst der Schutzzweck |
| 8 | sämtlicher Kommunikationsgrundrechte sowie die einzelnen |
| 9 | Gewährleistungen des Art. 5 GG und deren Abgrenzungen in den |
| 10 | Blick genommen. Im Anschluss hieran werden Eigenarten und |
| 11 | Besonderheiten der Internetkommunikation dargestellt, die |
| 12 | verdeutlichen, dass sich die kommunikationsgrundrechtliche |
| 13 | Einordnung der Internetkommunikation schwierig gestaltet. |
| 14 | Die Abgrenzung von Presse und Rundfunk erscheint im |
| 15 | digitalen Zeitalter ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob |
| 16 | Intermediäre, die im Gegensatz zu den klassischen Medien |
| 17 | nicht nach publizistischen, sondern nach mehr oder weniger |
| 18 | inhaltsneutralen Kriterien tätig sind, dem Schutz der |
| 19 | Kommunikationsgrundrechte unterliegen. |
| 20 | |
| 21 | Die Frage, ob Formen beziehungsweise Dienste der |
| 22 | Internetkommunikation am Schutz des Art. 5 GG teilnehmen, |
| 23 | hat nicht nur eine akademische, sondern eine erhebliche |
| 24 | praktische Bedeutung. Da im Sinnzentrum des Art. 5 GG – |
| 25 | neben der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen – die |
| 26 | Offenheit des Prozesses individueller und öffentlicher |
| 27 | Meinungsbildung steht, können der Zuordnung bestimmter |
| 28 | Dienste zu den Grundrechten des Art. 5 GG entsprechende |
| 29 | Regulierungsnotwendigkeiten korrespondieren. Dem Staat |
| 30 | obliegt eine Gewährleistungsverantwortung für Meinungs- und |
| 31 | Medienvielfalt, aus der sich entsprechende Schutzaufträge |
| 32 | ergeben können, wenn die Offenheit des Prozesses |
| 33 | individueller und öffentlicher Kommunikation beeinträchtigt |
| 34 | oder gefährdet ist. [FN: folgt] |
| 35 | |
| 36 | I. Der Inhalt des Art. 5 I GG |
| 37 | |
| 38 | 1. Schutzzweck des Art. 5 I GG |
| 39 | |
| 40 | Artikel 5 I GG umfasst verschiedene |
| 41 | Kommunikationsgrundrechte. Diese enthalten unstreitig eine |
| 42 | subjektiv-rechtliche (= individualrechtliche) Funktion, die |
| 43 | dem Einzelnen das Recht zuweist, seine eigene Persönlichkeit |
| 44 | dadurch zu entfalten, dass er im privaten und öffentlichen |
| 45 | Bereich „den Mund auftun“ und „geistig Luft ablassen“ kann.[ |
| 46 | Vgl.: Gersdorf, Hubertus: Legitimation und Limitierung von |
| 47 | Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. |
| 48 | Konzeption der Kommunikationsverfassung des 21. |
| 49 | Jahrhunderts. 2009, S. 55] |
| 50 | Darüber hinaus kommt den Kommunikationsgrundrechten auch |
| 51 | eine objektiv-rechtliche Komponente zu. Insofern handelt es |
| 52 | sich um eine Doppelfunktion des Schutzzweckes von Art. 5 I |
| 53 | GG. So erhalten die Kommunikationsgrundrechte innerhalb |
| 54 | einer Demokratie, die auf einem freien (öffentlichen und |
| 55 | individuellen) Meinungsbildungsprozess fußt, eine |
| 56 | herausragende Bedeutung. Denn ein Wesenselement der |
| 57 | Demokratie besteht darin, dass der Wille des Volkes |
| 58 | maßgebend ist. Dafür ist allerdings entscheidend, dass die |
| 59 | Bürger auch die Möglichkeit haben, sich frei von staatlichen |
| 60 | Einflüssen eine Meinung zu bilden (demokratische |
| 61 | Willensbildung). Aus diesem Grund genießt der Schutz der |
| 62 | freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung einen |
| 63 | besonderen Stellenwert. Voraussetzung dafür ist eine |
| 64 | Vielzahl an Meinungen, die als Basis dafür dient. Aus diesen |
| 65 | soll sich in einer Systematik der Meinungspluralität die |
| 66 | überzeugendste Meinung durchsetzen. Voraussetzung für einen |
| 67 | Schutz aus Art. 5 I GG ist demzufolge der inhaltliche |
| 68 | Beitrag zum Kommunikationsprozess. |
| 69 | |
| 70 | 2. Die einzelnen Gewährleistungen des Art. 5 I GG |
| 71 | |
| 72 | 2.1 Meinungsfreiheit |
| 73 | |
| 74 | Die Meinungsfreiheit schützt jeden, der seine Meinung äußert |
| 75 | beziehungsweise verbreitet. Voraussetzung ist somit zum |
| 76 | einen, dass eine Meinung vorliegt (in Abgrenzung zu einer |
| 77 | reinen Tatsache), und zum anderen, dass es sich um eine |
| 78 | eigene Meinung handelt. Das Verbreiten einer fremden Meinung |
| 79 | wird hingegen nicht vom Schutzbereich erfasst. Eine Meinung |
| 80 | ist geprägt durch das Element der Stellungnahme, des |
| 81 | Dafürhaltens, der Beurteilung. [Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8)] Im |
| 82 | Gegensatz dazu ist eine Tatsache dem Beweis zugänglich, denn |
| 83 | sie kann entweder wahr oder unwahr sein. [ Vgl.: Schemmer, |
| 84 | Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): |
| 85 | Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 1. Juli 2012 Edition: |
| 86 | 15, Art. 5 I GG, Rn 5.] Bei jeder in Frage stehenden |
| 87 | Information, die geäußert oder verbreitet wird, muss |
| 88 | demzufolge geschaut werden, ob es sich um eine Meinung oder |
| 89 | eine Tatsache handelt. Das BVerfG hat entschieden, dass die |
| 90 | Äußerung und die Verbreitung von Tatsachen dann vom |
| 91 | Schutzbereich erfasst werden, wenn sie als Grundlage für |
| 92 | eine Meinungsbildung dienen. [ Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8).] |
| 93 | Demzufolge wird der Schutzbereich für diese Art von |
| 94 | Tatsachen erweitert. |
| 95 | |
| 96 | 2.2 Informationsfreiheit [Vgl. auch: Deutscher Bundestag: … |
| 97 | Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und |
| 98 | digitale Gesellschaft“ / Demokratie und Staat. Kapitel 3.3 |
| 99 | „Informationsfreiheit und Informationszugang“, |
| 100 | Erscheinungstermin offen.] |
| 101 | |
| 102 | Die Informationsfreiheit schützt jeden, der sich selbst aus |
| 103 | allgemein zugänglichen Quellen informieren will. Sie dient |
| 104 | dem Schutz der freien Meinungsbildung, die der |
| 105 | Meinungsäußerung und -verbreitung zwingend vorgelagert ist. |
| 106 | Der Begriff der Quelle ist weit gefasst, so dass sämtliche |
| 107 | Träger von Informationen berücksichtigt sind. [ Vgl.: |
| 108 | Herzog, Roman in: Maunz, Theodor / Dürig, Günter, |
| 109 | Grundgesetz-Kommentar, 64. Ergänzungslieferung 2012, Art. 5 |
| 110 | GG, Rn 87.] Der Begriff der Information ist ebenso weit zu |
| 111 | verstehen und umfasst alle Arten von Mitteilungen – eine |
| 112 | Unterscheidung zwischen Meinung und Tatsache erfolgt gerade |
| 113 | nicht. Allgemein zugänglich sind Informationsquellen, die |
| 114 | geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem |
| 115 | individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen |
| 116 | zu verschaffen. [Vgl.: BVerfGE 27, 71 (83).]Das Internet ist |
| 117 | demzufolge eine klassische allgemein zugängliche |
| 118 | Informationsquelle. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs, |
| 119 | Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, Art. 5 GG, Rn 54.] |
| 120 | |
| 121 | 2.3 Pressefreiheit |
| 122 | |
| 123 | Unter Presse versteht man klassischerweise jedes |
| 124 | Druckerzeugnis, das geeignet und dazu bestimmt ist, |
| 125 | verbreitet zu werden. Die Pressefreiheit hat zum einen eine |
| 126 | subjektiv-rechtliche (individualrechtliche) und zum anderen |
| 127 | eine objektiv-rechtliche Gewährleistungskomponente. [ Vgl.: |
| 128 | BVerfGE 77, 346 (354) – Presse-Grosso.] Die |
| 129 | subjektiv-rechtliche gewährt den im Pressewesen tätigen |
| 130 | Personen die freie Gründung und Gestaltung von |
| 131 | Presseerzeugnissen. [ Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, |
| 132 | Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher |
| 133 | Online-Kommentar GG, Art. 5 I GG, Rn 44.] Geschützt wird |
| 134 | demzufolge auch die Entscheidung darüber, welche Inhalte |
| 135 | wie, also in welcher Form und an welcher Stelle, in dem |
| 136 | Presseerzeugnis dargestellt werden. [ Vgl.: ebd.] Die |
| 137 | objektiv-rechtliche Komponente gewährt das Institut der |
| 138 | freien Presse insgesamt. |
| 139 | |
| 140 | Grundsätzlich werden die Kommunikationsfreiheiten demjenigen |
| 141 | gewährt, der einen inhaltlichen Beitrag zum |
| 142 | Kommunikationsprozess leistet. Dennoch beschränkt sich der |
| 143 | Schutz nicht nur auf die unmittelbar inhaltsbezogenen |
| 144 | Pressetätigkeiten. Vielmehr werden auch inhaltsferne |
| 145 | beziehungsweise an sich inhaltsneutrale Hilfsfunktionen von |
| 146 | Presseunternehmen erfasst (= presseinterne inhaltsneutrale |
| 147 | Tätigkeiten). [ Vgl.: BVerfGE 25, 296 (304) – Buchhaltung; |
| 148 | BVerfGE 64, 108 (114 f.) – Anzeigenaufnahme.] Denn die |
| 149 | Pressefreiheit gewährt einen sehr weiten Schutz, der von der |
| 150 | Beschaffung der Informationen bis zu deren Verbreitung |
| 151 | reicht, [Vgl.: BVerfGE 10, 118 (121) – Berufsverbot I.] so |
| 152 | dass also im Gegensatz zur Meinungsfreiheit auch die |
| 153 | Verbreitung einer fremden Meinung gewährleistet wird. Der |
| 154 | Grund für diesen weiten Schutz ist das Interesse an einer |
| 155 | ungehinderten Meinungsverbreitung. Deshalb kommt es für die |
| 156 | Definition des Schutzbereichs darauf an, ob eine Tätigkeit |
| 157 | eine notwendige Bedingung für das Funktionieren einer freien |
| 158 | Presse ist. [Vgl.: BVerfGE 66, 116 (134) – Springer/Wallraff |
| 159 | ]Nicht geschützt wird indes die Verbreitung der Inhalte |
| 160 | durch einen Dritten (= presseexterne Person). |
| 161 | |
| 162 | 2.4 Rundfunkfreiheit |
| 163 | |
| 164 | Die Rundfunkfreiheit umfasst den Schutz, Rundfunkprogramme |
| 165 | zu veranstalten. [Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, Volker / |
| 166 | Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher Online-Kommentar |
| 167 | GG, Art. 5 I GG, Rn 62.] Rundfunk ist dabei jede an eine |
| 168 | unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder |
| 169 | drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten mit Hilfe |
| 170 | elektrischer Schwingungen. [Vgl.: Herzog, Roman in: Maunz, |
| 171 | Theodor / Dürig, Günter (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 64. |
| 172 | Ergänzungslieferung 2012, Art 5 GG, Rn 194 f.]Der |
| 173 | Schutzbereich erstreckt sich – wie bei der Pressefreiheit – |
| 174 | von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der |
| 175 | Sendung. [ Vgl.: BVerfGE 78, 101 (103).] Ebenso umfasst sind |
| 176 | im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung die |
| 177 | dazu erforderlichen inhaltsneutralen Hilfstätigkeiten, die |
| 178 | durch das Rundfunkunternehmen ausgeübt werden. [ Vgl.: |
| 179 | BVerfGE 78, 101 (103) unter Verweis auf BVerfGE 77, 346 |
| 180 | (354) – Presse-Grosso.] Steht eine inhaltsneutrale |
| 181 | (Hilfs-)Tätigkeit in Rede, muss demzufolge unterschieden |
| 182 | werden, ob es sich um eine inhaltsneutrale Tätigkeit eines |
| 183 | Rundfunkveranstalters handelt oder um die eines externen |
| 184 | Dritten. Denn da Schutzvoraussetzung ein inhaltlicher |
| 185 | Beitrag zum Kommunikationsprozess ist, besteht grundsätzlich |
| 186 | bei inhaltsneutralen Tätigkeiten kein Schutz aus Art. 5 I |
| 187 | GG. Aufgrund des organisatorischen Zusammenhalts wird jedoch |
| 188 | bei inhaltsneutralen Tätigkeiten durch den |
| 189 | Rundfunkveranstalter ein ausreichender Inhaltsbezug |
| 190 | hergestellt, so dass im Ergebnis ein Schutz aus Art. 5 I 2 |
| 191 | GG gewährt wird. Anders jedoch bei inhaltsneutralen |
| 192 | Tätigkeiten durch Dritte (also gerade keine |
| 193 | Rundfunkveranstalter).[ Vgl.: Gersdorf, Hubertus: |
| 194 | Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen. 1998, S. 69 |
| 195 | ff.] |
| 196 | |
| 197 | 2.5 Filmfreiheit |
| 198 | |
| 199 | Der verfassungsrechtliche Filmbegriff setzt voraus, dass die |
| 200 | Inhalte mittels eines chemisch-optischen oder digitalen |
| 201 | Bild- und Tonträgers durch Vorführung in der Öffentlichkeit |
| 202 | verbreitet werden. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs, |
| 203 | Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. |
| 204 | 5 GG, Rn 118.] Bei Darstellungen der Inhalte im Internet |
| 205 | mangelt es jedoch gerade an einem Trägermedium, von dem die |
| 206 | Darstellung der Inhalte direkt am Ort des Abspielens |
| 207 | erfolgt. [ Vgl.: Jarass, Hans D. in: Jarass, Hans D. / |
| 208 | Pieroth, Bodo (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 10. Aufl. |
| 209 | 2009, Art. 5 GG, Rn 50.] Von daher wird die Filmfreiheit im |
| 210 | Folgenden unberücksichtigt bleiben. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
| 1 | Im Internet findet sich eine Vielzahl von Diensten, deren |
| 2 | grundrechtliche Einordnung zum Teil erhebliche |
| 3 | Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden geht es allein darum, |
| 4 | ob und unter welchen Voraussetzungen die verschiedenen |
| 5 | Formen der Internetkommunikation dem Schutz der |
| 6 | Kommunikationsgrundrechte im Sinne des Art. 5 GG |
| 7 | unterfallen. Hierbei werden zunächst der Schutzzweck |
| 8 | sämtlicher Kommunikationsgrundrechte sowie die einzelnen |
| 9 | Gewährleistungen des Art. 5 GG und deren Abgrenzungen in den |
| 10 | Blick genommen. Im Anschluss hieran werden Eigenarten und |
| 11 | Besonderheiten der Internetkommunikation dargestellt, die |
| 12 | verdeutlichen, dass sich die kommunikationsgrundrechtliche |
| 13 | Einordnung der Internetkommunikation schwierig gestaltet. |
| 14 | Die Abgrenzung von Presse und Rundfunk erscheint im |
| 15 | digitalen Zeitalter ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob |
| 16 | Intermediäre, die im Gegensatz zu den klassischen Medien |
| 17 | nicht nach publizistischen, sondern nach mehr oder weniger |
| 18 | inhaltsneutralen Kriterien tätig sind, dem Schutz der |
| 19 | Kommunikationsgrundrechte unterliegen. |
| 20 | |
| 21 | Die Frage, ob Formen beziehungsweise Dienste der |
| 22 | Internetkommunikation am Schutz des Art. 5 GG teilnehmen, |
| 23 | hat nicht nur eine akademische, sondern eine erhebliche |
| 24 | praktische Bedeutung. Da im Sinnzentrum des Art. 5 GG – |
| 25 | neben der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen – die |
| 26 | Offenheit des Prozesses individueller und öffentlicher |
| 27 | Meinungsbildung steht, können der Zuordnung bestimmter |
| 28 | Dienste zu den Grundrechten des Art. 5 GG entsprechende |
| 29 | Regulierungsnotwendigkeiten korrespondieren. Dem Staat |
| 30 | obliegt eine Gewährleistungsverantwortung für Meinungs- und |
| 31 | Medienvielfalt, aus der sich entsprechende Schutzaufträge |
| 32 | ergeben können, wenn die Offenheit des Prozesses |
| 33 | individueller und öffentlicher Kommunikation beeinträchtigt |
| 34 | oder gefährdet ist. [FN: folgt] |
| 35 | |
| 36 | I. Der Inhalt des Art. 5 I GG |
| 37 | |
| 38 | 1. Schutzzweck des Art. 5 I GG |
| 39 | |
| 40 | Artikel 5 I GG umfasst verschiedene |
| 41 | Kommunikationsgrundrechte. Diese enthalten unstreitig eine |
| 42 | subjektiv-rechtliche (= individualrechtliche) Funktion, die |
| 43 | dem Einzelnen das Recht zuweist, seine eigene Persönlichkeit |
| 44 | dadurch zu entfalten, dass er im privaten und öffentlichen |
| 45 | Bereich „den Mund auftun“ und „geistig Luft ablassen“ kann.[ |
| 46 | Vgl.: Gersdorf, Hubertus: Legitimation und Limitierung von |
| 47 | Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. |
| 48 | Konzeption der Kommunikationsverfassung des 21. |
| 49 | Jahrhunderts. 2009, S. 55] |
| 50 | Darüber hinaus kommt den Kommunikationsgrundrechten auch |
| 51 | eine objektiv-rechtliche Komponente zu. Insofern handelt es |
| 52 | sich um eine Doppelfunktion des Schutzzweckes von Art. 5 I |
| 53 | GG. So erhalten die Kommunikationsgrundrechte innerhalb |
| 54 | einer Demokratie, die auf einem freien (öffentlichen und |
| 55 | individuellen) Meinungsbildungsprozess fußt, eine |
| 56 | herausragende Bedeutung. Denn ein Wesenselement der |
| 57 | Demokratie besteht darin, dass der Wille des Volkes |
| 58 | maßgebend ist. Dafür ist allerdings entscheidend, dass die |
| 59 | Bürger auch die Möglichkeit haben, sich frei von staatlichen |
| 60 | Einflüssen eine Meinung zu bilden (demokratische |
| 61 | Willensbildung). Aus diesem Grund genießt der Schutz der |
| 62 | freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung einen |
| 63 | besonderen Stellenwert. Voraussetzung dafür ist eine |
| 64 | Vielzahl an Meinungen, die als Basis dafür dient. Aus diesen |
| 65 | soll sich in einer Systematik der Meinungspluralität die |
| 66 | überzeugendste Meinung durchsetzen. Voraussetzung für einen |
| 67 | Schutz aus Art. 5 I GG ist demzufolge der inhaltliche |
| 68 | Beitrag zum Kommunikationsprozess. |
| 69 | |
| 70 | 2. Die einzelnen Gewährleistungen des Art. 5 I GG |
| 71 | |
| 72 | 2.1 Meinungsfreiheit |
| 73 | |
| 74 | Die Meinungsfreiheit schützt jeden, der seine Meinung äußert |
| 75 | beziehungsweise verbreitet. Voraussetzung ist somit zum |
| 76 | einen, dass eine Meinung vorliegt (in Abgrenzung zu einer |
| 77 | reinen Tatsache), und zum anderen, dass es sich um eine |
| 78 | eigene Meinung handelt. Das Verbreiten einer fremden Meinung |
| 79 | wird hingegen nicht vom Schutzbereich erfasst. Eine Meinung |
| 80 | ist geprägt durch das Element der Stellungnahme, des |
| 81 | Dafürhaltens, der Beurteilung. [Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8)] Im |
| 82 | Gegensatz dazu ist eine Tatsache dem Beweis zugänglich, denn |
| 83 | sie kann entweder wahr oder unwahr sein. [ Vgl.: Schemmer, |
| 84 | Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): |
| 85 | Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 1. Juli 2012 Edition: |
| 86 | 15, Art. 5 I GG, Rn 5.] Bei jeder in Frage stehenden |
| 87 | Information, die geäußert oder verbreitet wird, muss |
| 88 | demzufolge geschaut werden, ob es sich um eine Meinung oder |
| 89 | eine Tatsache handelt. Das BVerfG hat entschieden, dass die |
| 90 | Äußerung und die Verbreitung von Tatsachen dann vom |
| 91 | Schutzbereich erfasst werden, wenn sie als Grundlage für |
| 92 | eine Meinungsbildung dienen. [ Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8).] |
| 93 | Demzufolge wird der Schutzbereich für diese Art von |
| 94 | Tatsachen erweitert. |
| 95 | |
| 96 | 2.2 Informationsfreiheit [Vgl. auch: Deutscher Bundestag: … |
| 97 | Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und |
| 98 | digitale Gesellschaft“ / Demokratie und Staat. Kapitel 3.3 |
| 99 | „Informationsfreiheit und Informationszugang“, |
| 100 | Erscheinungstermin offen.] |
| 101 | |
| 102 | Die Informationsfreiheit schützt jeden, der sich selbst aus |
| 103 | allgemein zugänglichen Quellen informieren will. Sie dient |
| 104 | dem Schutz der freien Meinungsbildung, die der |
| 105 | Meinungsäußerung und -verbreitung zwingend vorgelagert ist. |
| 106 | Der Begriff der Quelle ist weit gefasst, so dass sämtliche |
| 107 | Träger von Informationen berücksichtigt sind. [ Vgl.: |
| 108 | Herzog, Roman in: Maunz, Theodor / Dürig, Günter, |
| 109 | Grundgesetz-Kommentar, 64. Ergänzungslieferung 2012, Art. 5 |
| 110 | GG, Rn 87.] Der Begriff der Information ist ebenso weit zu |
| 111 | verstehen und umfasst alle Arten von Mitteilungen – eine |
| 112 | Unterscheidung zwischen Meinung und Tatsache erfolgt gerade |
| 113 | nicht. Allgemein zugänglich sind Informationsquellen, die |
| 114 | geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem |
| 115 | individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen |
| 116 | zu verschaffen. [Vgl.: BVerfGE 27, 71 (83).]Das Internet ist |
| 117 | demzufolge eine klassische allgemein zugängliche |
| 118 | Informationsquelle. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs, |
| 119 | Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, Art. 5 GG, Rn 54.] |
| 120 | |
| 121 | 2.3 Pressefreiheit |
| 122 | |
| 123 | Unter Presse versteht man klassischerweise jedes |
| 124 | Druckerzeugnis, das geeignet und dazu bestimmt ist, |
| 125 | verbreitet zu werden. Die Pressefreiheit hat zum einen eine |
| 126 | subjektiv-rechtliche (individualrechtliche) und zum anderen |
| 127 | eine objektiv-rechtliche Gewährleistungskomponente. [ Vgl.: |
| 128 | BVerfGE 77, 346 (354) – Presse-Grosso.] Die |
| 129 | subjektiv-rechtliche gewährt den im Pressewesen tätigen |
| 130 | Personen die freie Gründung und Gestaltung von |
| 131 | Presseerzeugnissen. [ Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, |
| 132 | Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher |
| 133 | Online-Kommentar GG, Art. 5 I GG, Rn 44.] Geschützt wird |
| 134 | demzufolge auch die Entscheidung darüber, welche Inhalte |
| 135 | wie, also in welcher Form und an welcher Stelle, in dem |
| 136 | Presseerzeugnis dargestellt werden. [ Vgl.: ebd.] Die |
| 137 | objektiv-rechtliche Komponente gewährt das Institut der |
| 138 | freien Presse insgesamt. |
| 139 | |
| 140 | Grundsätzlich werden die Kommunikationsfreiheiten demjenigen |
| 141 | gewährt, der einen inhaltlichen Beitrag zum |
| 142 | Kommunikationsprozess leistet. Dennoch beschränkt sich der |
| 143 | Schutz nicht nur auf die unmittelbar inhaltsbezogenen |
| 144 | Pressetätigkeiten. Vielmehr werden auch inhaltsferne |
| 145 | beziehungsweise an sich inhaltsneutrale Hilfsfunktionen von |
| 146 | Presseunternehmen erfasst (= presseinterne inhaltsneutrale |
| 147 | Tätigkeiten). [ Vgl.: BVerfGE 25, 296 (304) – Buchhaltung; |
| 148 | BVerfGE 64, 108 (114 f.) – Anzeigenaufnahme.] Denn die |
| 149 | Pressefreiheit gewährt einen sehr weiten Schutz, der von der |
| 150 | Beschaffung der Informationen bis zu deren Verbreitung |
| 151 | reicht, [Vgl.: BVerfGE 10, 118 (121) – Berufsverbot I.] so |
| 152 | dass also im Gegensatz zur Meinungsfreiheit auch die |
| 153 | Verbreitung einer fremden Meinung gewährleistet wird. Der |
| 154 | Grund für diesen weiten Schutz ist das Interesse an einer |
| 155 | ungehinderten Meinungsverbreitung. Deshalb kommt es für die |
| 156 | Definition des Schutzbereichs darauf an, ob eine Tätigkeit |
| 157 | eine notwendige Bedingung für das Funktionieren einer freien |
| 158 | Presse ist. [Vgl.: BVerfGE 66, 116 (134) – Springer/Wallraff |
| 159 | ]Nicht geschützt wird indes die Verbreitung der Inhalte |
| 160 | durch einen Dritten (= presseexterne Person). |
| 161 | |
| 162 | 2.4 Rundfunkfreiheit |
| 163 | |
| 164 | Die Rundfunkfreiheit umfasst den Schutz, Rundfunkprogramme |
| 165 | zu veranstalten. [Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, Volker / |
| 166 | Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher Online-Kommentar |
| 167 | GG, Art. 5 I GG, Rn 62.] Rundfunk ist dabei jede an eine |
| 168 | unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder |
| 169 | drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten mit Hilfe |
| 170 | elektrischer Schwingungen. [Vgl.: Herzog, Roman in: Maunz, |
| 171 | Theodor / Dürig, Günter (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 64. |
| 172 | Ergänzungslieferung 2012, Art 5 GG, Rn 194 f.]Der |
| 173 | Schutzbereich erstreckt sich – wie bei der Pressefreiheit – |
| 174 | von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der |
| 175 | Sendung. [ Vgl.: BVerfGE 78, 101 (103).] Ebenso umfasst sind |
| 176 | im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung die |
| 177 | dazu erforderlichen inhaltsneutralen Hilfstätigkeiten, die |
| 178 | durch das Rundfunkunternehmen ausgeübt werden. [ Vgl.: |
| 179 | BVerfGE 78, 101 (103) unter Verweis auf BVerfGE 77, 346 |
| 180 | (354) – Presse-Grosso.] Steht eine inhaltsneutrale |
| 181 | (Hilfs-)Tätigkeit in Rede, muss demzufolge unterschieden |
| 182 | werden, ob es sich um eine inhaltsneutrale Tätigkeit eines |
| 183 | Rundfunkveranstalters handelt oder um die eines externen |
| 184 | Dritten. Denn da Schutzvoraussetzung ein inhaltlicher |
| 185 | Beitrag zum Kommunikationsprozess ist, besteht grundsätzlich |
| 186 | bei inhaltsneutralen Tätigkeiten kein Schutz aus Art. 5 I |
| 187 | GG. Aufgrund des organisatorischen Zusammenhalts wird jedoch |
| 188 | bei inhaltsneutralen Tätigkeiten durch den |
| 189 | Rundfunkveranstalter ein ausreichender Inhaltsbezug |
| 190 | hergestellt, so dass im Ergebnis ein Schutz aus Art. 5 I 2 |
| 191 | GG gewährt wird. Anders jedoch bei inhaltsneutralen |
| 192 | Tätigkeiten durch Dritte (also gerade keine |
| 193 | Rundfunkveranstalter).[ Vgl.: Gersdorf, Hubertus: |
| 194 | Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen. 1998, S. 69 |
| 195 | ff.] |
| 196 | |
| 197 | 2.5 Filmfreiheit |
| 198 | |
| 199 | Der verfassungsrechtliche Filmbegriff setzt voraus, dass die |
| 200 | Inhalte mittels eines chemisch-optischen oder digitalen |
| 201 | Bild- und Tonträgers durch Vorführung in der Öffentlichkeit |
| 202 | verbreitet werden. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs, |
| 203 | Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. |
| 204 | 5 GG, Rn 118.] Bei Darstellungen der Inhalte im Internet |
| 205 | mangelt es jedoch gerade an einem Trägermedium, von dem die |
| 206 | Darstellung der Inhalte direkt am Ort des Abspielens |
| 207 | erfolgt. [ Vgl.: Jarass, Hans D. in: Jarass, Hans D. / |
| 208 | Pieroth, Bodo (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 10. Aufl. |
| 209 | 2009, Art. 5 GG, Rn 50.] Von daher wird die Filmfreiheit im |
| 210 | Folgenden unberücksichtigt bleiben. |
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