Papier: 01.01.01.01 Anwendung der Kommunikationsgrundrechte auf Internetkommunikation, Lücken, Einordnungsschwierigkeiten - TEIL 1

Originalversion

1 Im Internet findet sich eine Vielzahl von Diensten, deren
2 grundrechtliche Einordnung zum Teil erhebliche
3 Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden geht es allein darum,
4 ob und unter welchen Voraussetzungen die verschiedenen
5 Formen der Internetkommunikation dem Schutz der
6 Kommunikationsgrundrechte im Sinne des Art. 5 GG
7 unterfallen. Hierbei werden zunächst der Schutzzweck
8 sämtlicher Kommunikationsgrundrechte sowie die einzelnen
9 Gewährleistungen des Art. 5 GG und deren Abgrenzungen in den
10 Blick genommen. Im Anschluss hieran werden Eigenarten und
11 Besonderheiten der Internetkommunikation dargestellt, die
12 verdeutlichen, dass sich die kommunikationsgrundrechtliche
13 Einordnung der Internetkommunikation schwierig gestaltet.
14 Die Abgrenzung von Presse und Rundfunk erscheint im
15 digitalen Zeitalter ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob
16 Intermediäre, die im Gegensatz zu den klassischen Medien
17 nicht nach publizistischen, sondern nach mehr oder weniger
18 inhaltsneutralen Kriterien tätig sind, dem Schutz der
19 Kommunikationsgrundrechte unterliegen.
20
21 Die Frage, ob Formen beziehungsweise Dienste der
22 Internetkommunikation am Schutz des Art. 5 GG teilnehmen,
23 hat nicht nur eine akademische, sondern eine erhebliche
24 praktische Bedeutung. Da im Sinnzentrum des Art. 5 GG –
25 neben der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen – die
26 Offenheit des Prozesses individueller und öffentlicher
27 Meinungsbildung steht, können der Zuordnung bestimmter
28 Dienste zu den Grundrechten des Art. 5 GG entsprechende
29 Regulierungsnotwendigkeiten korrespondieren. Dem Staat
30 obliegt eine Gewährleistungsverantwortung für Meinungs- und
31 Medienvielfalt, aus der sich entsprechende Schutzaufträge
32 ergeben können, wenn die Offenheit des Prozesses
33 individueller und öffentlicher Kommunikation beeinträchtigt
34 oder gefährdet ist. [FN: folgt]
35
36 I. Der Inhalt des Art. 5 I GG
37
38 1. Schutzzweck des Art. 5 I GG
39
40 Artikel 5 I GG umfasst verschiedene
41 Kommunikationsgrundrechte. Diese enthalten unstreitig eine
42 subjektiv-rechtliche (= individualrechtliche) Funktion, die
43 dem Einzelnen das Recht zuweist, seine eigene Persönlichkeit
44 dadurch zu entfalten, dass er im privaten und öffentlichen
45 Bereich „den Mund auftun“ und „geistig Luft ablassen“ kann.[
46 Vgl.: Gersdorf, Hubertus: Legitimation und Limitierung von
47 Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
48 Konzeption der Kommunikationsverfassung des 21.
49 Jahrhunderts. 2009, S. 55]
50 Darüber hinaus kommt den Kommunikationsgrundrechten auch
51 eine objektiv-rechtliche Komponente zu. Insofern handelt es
52 sich um eine Doppelfunktion des Schutzzweckes von Art. 5 I
53 GG. So erhalten die Kommunikationsgrundrechte innerhalb
54 einer Demokratie, die auf einem freien (öffentlichen und
55 individuellen) Meinungsbildungsprozess fußt, eine
56 herausragende Bedeutung. Denn ein Wesenselement der
57 Demokratie besteht darin, dass der Wille des Volkes
58 maßgebend ist. Dafür ist allerdings entscheidend, dass die
59 Bürger auch die Möglichkeit haben, sich frei von staatlichen
60 Einflüssen eine Meinung zu bilden (demokratische
61 Willensbildung). Aus diesem Grund genießt der Schutz der
62 freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung einen
63 besonderen Stellenwert. Voraussetzung dafür ist eine
64 Vielzahl an Meinungen, die als Basis dafür dient. Aus diesen
65 soll sich in einer Systematik der Meinungspluralität die
66 überzeugendste Meinung durchsetzen. Voraussetzung für einen
67 Schutz aus Art. 5 I GG ist demzufolge der inhaltliche
68 Beitrag zum Kommunikationsprozess.
69
70 2. Die einzelnen Gewährleistungen des Art. 5 I GG
71
72 2.1 Meinungsfreiheit
73
74 Die Meinungsfreiheit schützt jeden, der seine Meinung äußert
75 beziehungsweise verbreitet. Voraussetzung ist somit zum
76 einen, dass eine Meinung vorliegt (in Abgrenzung zu einer
77 reinen Tatsache), und zum anderen, dass es sich um eine
78 eigene Meinung handelt. Das Verbreiten einer fremden Meinung
79 wird hingegen nicht vom Schutzbereich erfasst. Eine Meinung
80 ist geprägt durch das Element der Stellungnahme, des
81 Dafürhaltens, der Beurteilung. [Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8)] Im
82 Gegensatz dazu ist eine Tatsache dem Beweis zugänglich, denn
83 sie kann entweder wahr oder unwahr sein. [ Vgl.: Schemmer,
84 Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.):
85 Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 1. Juli 2012 Edition:
86 15, Art. 5 I GG, Rn 5.] Bei jeder in Frage stehenden
87 Information, die geäußert oder verbreitet wird, muss
88 demzufolge geschaut werden, ob es sich um eine Meinung oder
89 eine Tatsache handelt. Das BVerfG hat entschieden, dass die
90 Äußerung und die Verbreitung von Tatsachen dann vom
91 Schutzbereich erfasst werden, wenn sie als Grundlage für
92 eine Meinungsbildung dienen. [ Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8).]
93 Demzufolge wird der Schutzbereich für diese Art von
94 Tatsachen erweitert.
95
96 2.2 Informationsfreiheit [Vgl. auch: Deutscher Bundestag: …
97 Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und
98 digitale Gesellschaft“ / Demokratie und Staat. Kapitel 3.3
99 „Informationsfreiheit und Informationszugang“,
100 Erscheinungstermin offen.]
101
102 Die Informationsfreiheit schützt jeden, der sich selbst aus
103 allgemein zugänglichen Quellen informieren will. Sie dient
104 dem Schutz der freien Meinungsbildung, die der
105 Meinungsäußerung und -verbreitung zwingend vorgelagert ist.
106 Der Begriff der Quelle ist weit gefasst, so dass sämtliche
107 Träger von Informationen berücksichtigt sind. [ Vgl.:
108 Herzog, Roman in: Maunz, Theodor / Dürig, Günter,
109 Grundgesetz-Kommentar, 64. Ergänzungslieferung 2012, Art. 5
110 GG, Rn 87.] Der Begriff der Information ist ebenso weit zu
111 verstehen und umfasst alle Arten von Mitteilungen – eine
112 Unterscheidung zwischen Meinung und Tatsache erfolgt gerade
113 nicht. Allgemein zugänglich sind Informationsquellen, die
114 geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem
115 individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen
116 zu verschaffen. [Vgl.: BVerfGE 27, 71 (83).]Das Internet ist
117 demzufolge eine klassische allgemein zugängliche
118 Informationsquelle. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs,
119 Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, Art. 5 GG, Rn 54.]
120
121 2.3 Pressefreiheit
122
123 Unter Presse versteht man klassischerweise jedes
124 Druckerzeugnis, das geeignet und dazu bestimmt ist,
125 verbreitet zu werden. Die Pressefreiheit hat zum einen eine
126 subjektiv-rechtliche (individualrechtliche) und zum anderen
127 eine objektiv-rechtliche Gewährleistungskomponente. [ Vgl.:
128 BVerfGE 77, 346 (354) – Presse-Grosso.] Die
129 subjektiv-rechtliche gewährt den im Pressewesen tätigen
130 Personen die freie Gründung und Gestaltung von
131 Presseerzeugnissen. [ Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping,
132 Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher
133 Online-Kommentar GG, Art. 5 I GG, Rn 44.] Geschützt wird
134 demzufolge auch die Entscheidung darüber, welche Inhalte
135 wie, also in welcher Form und an welcher Stelle, in dem
136 Presseerzeugnis dargestellt werden. [ Vgl.: ebd.] Die
137 objektiv-rechtliche Komponente gewährt das Institut der
138 freien Presse insgesamt.
139
140 Grundsätzlich werden die Kommunikationsfreiheiten demjenigen
141 gewährt, der einen inhaltlichen Beitrag zum
142 Kommunikationsprozess leistet. Dennoch beschränkt sich der
143 Schutz nicht nur auf die unmittelbar inhaltsbezogenen
144 Pressetätigkeiten. Vielmehr werden auch inhaltsferne
145 beziehungsweise an sich inhaltsneutrale Hilfsfunktionen von
146 Presseunternehmen erfasst (= presseinterne inhaltsneutrale
147 Tätigkeiten). [ Vgl.: BVerfGE 25, 296 (304) – Buchhaltung;
148 BVerfGE 64, 108 (114 f.) – Anzeigenaufnahme.] Denn die
149 Pressefreiheit gewährt einen sehr weiten Schutz, der von der
150 Beschaffung der Informationen bis zu deren Verbreitung
151 reicht, [Vgl.: BVerfGE 10, 118 (121) – Berufsverbot I.] so
152 dass also im Gegensatz zur Meinungsfreiheit auch die
153 Verbreitung einer fremden Meinung gewährleistet wird. Der
154 Grund für diesen weiten Schutz ist das Interesse an einer
155 ungehinderten Meinungsverbreitung. Deshalb kommt es für die
156 Definition des Schutzbereichs darauf an, ob eine Tätigkeit
157 eine notwendige Bedingung für das Funktionieren einer freien
158 Presse ist. [Vgl.: BVerfGE 66, 116 (134) – Springer/Wallraff
159 ]Nicht geschützt wird indes die Verbreitung der Inhalte
160 durch einen Dritten (= presseexterne Person).
161
162 2.4 Rundfunkfreiheit
163
164 Die Rundfunkfreiheit umfasst den Schutz, Rundfunkprogramme
165 zu veranstalten. [Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, Volker /
166 Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher Online-Kommentar
167 GG, Art. 5 I GG, Rn 62.] Rundfunk ist dabei jede an eine
168 unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder
169 drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten mit Hilfe
170 elektrischer Schwingungen. [Vgl.: Herzog, Roman in: Maunz,
171 Theodor / Dürig, Günter (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 64.
172 Ergänzungslieferung 2012, Art 5 GG, Rn 194 f.]Der
173 Schutzbereich erstreckt sich – wie bei der Pressefreiheit –
174 von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der
175 Sendung. [ Vgl.: BVerfGE 78, 101 (103).] Ebenso umfasst sind
176 im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung die
177 dazu erforderlichen inhaltsneutralen Hilfstätigkeiten, die
178 durch das Rundfunkunternehmen ausgeübt werden. [ Vgl.:
179 BVerfGE 78, 101 (103) unter Verweis auf BVerfGE 77, 346
180 (354) – Presse-Grosso.] Steht eine inhaltsneutrale
181 (Hilfs-)Tätigkeit in Rede, muss demzufolge unterschieden
182 werden, ob es sich um eine inhaltsneutrale Tätigkeit eines
183 Rundfunkveranstalters handelt oder um die eines externen
184 Dritten. Denn da Schutzvoraussetzung ein inhaltlicher
185 Beitrag zum Kommunikationsprozess ist, besteht grundsätzlich
186 bei inhaltsneutralen Tätigkeiten kein Schutz aus Art. 5 I
187 GG. Aufgrund des organisatorischen Zusammenhalts wird jedoch
188 bei inhaltsneutralen Tätigkeiten durch den
189 Rundfunkveranstalter ein ausreichender Inhaltsbezug
190 hergestellt, so dass im Ergebnis ein Schutz aus Art. 5 I 2
191 GG gewährt wird. Anders jedoch bei inhaltsneutralen
192 Tätigkeiten durch Dritte (also gerade keine
193 Rundfunkveranstalter).[ Vgl.: Gersdorf, Hubertus:
194 Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen. 1998, S. 69
195 ff.]
196
197 2.5 Filmfreiheit
198
199 Der verfassungsrechtliche Filmbegriff setzt voraus, dass die
200 Inhalte mittels eines chemisch-optischen oder digitalen
201 Bild- und Tonträgers durch Vorführung in der Öffentlichkeit
202 verbreitet werden. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs,
203 Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art.
204 5 GG, Rn 118.] Bei Darstellungen der Inhalte im Internet
205 mangelt es jedoch gerade an einem Trägermedium, von dem die
206 Darstellung der Inhalte direkt am Ort des Abspielens
207 erfolgt. [ Vgl.: Jarass, Hans D. in: Jarass, Hans D. /
208 Pieroth, Bodo (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 10. Aufl.
209 2009, Art. 5 GG, Rn 50.] Von daher wird die Filmfreiheit im
210 Folgenden unberücksichtigt bleiben.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Im Internet findet sich eine Vielzahl von Diensten, deren
2 grundrechtliche Einordnung zum Teil erhebliche
3 Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden geht es allein darum,
4 ob und unter welchen Voraussetzungen die verschiedenen
5 Formen der Internetkommunikation dem Schutz der
6 Kommunikationsgrundrechte im Sinne des Art. 5 GG
7 unterfallen. Hierbei werden zunächst der Schutzzweck
8 sämtlicher Kommunikationsgrundrechte sowie die einzelnen
9 Gewährleistungen des Art. 5 GG und deren Abgrenzungen in den
10 Blick genommen. Im Anschluss hieran werden Eigenarten und
11 Besonderheiten der Internetkommunikation dargestellt, die
12 verdeutlichen, dass sich die kommunikationsgrundrechtliche
13 Einordnung der Internetkommunikation schwierig gestaltet.
14 Die Abgrenzung von Presse und Rundfunk erscheint im
15 digitalen Zeitalter ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob
16 Intermediäre, die im Gegensatz zu den klassischen Medien
17 nicht nach publizistischen, sondern nach mehr oder weniger
18 inhaltsneutralen Kriterien tätig sind, dem Schutz der
19 Kommunikationsgrundrechte unterliegen.
20
21 Die Frage, ob Formen beziehungsweise Dienste der
22 Internetkommunikation am Schutz des Art. 5 GG teilnehmen,
23 hat nicht nur eine akademische, sondern eine erhebliche
24 praktische Bedeutung. Da im Sinnzentrum des Art. 5 GG –
25 neben der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen – die
26 Offenheit des Prozesses individueller und öffentlicher
27 Meinungsbildung steht, können der Zuordnung bestimmter
28 Dienste zu den Grundrechten des Art. 5 GG entsprechende
29 Regulierungsnotwendigkeiten korrespondieren. Dem Staat
30 obliegt eine Gewährleistungsverantwortung für Meinungs- und
31 Medienvielfalt, aus der sich entsprechende Schutzaufträge
32 ergeben können, wenn die Offenheit des Prozesses
33 individueller und öffentlicher Kommunikation beeinträchtigt
34 oder gefährdet ist. [FN: folgt]
35
36 I. Der Inhalt des Art. 5 I GG
37
38 1. Schutzzweck des Art. 5 I GG
39
40 Artikel 5 I GG umfasst verschiedene
41 Kommunikationsgrundrechte. Diese enthalten unstreitig eine
42 subjektiv-rechtliche (= individualrechtliche) Funktion, die
43 dem Einzelnen das Recht zuweist, seine eigene Persönlichkeit
44 dadurch zu entfalten, dass er im privaten und öffentlichen
45 Bereich „den Mund auftun“ und „geistig Luft ablassen“ kann.[
46 Vgl.: Gersdorf, Hubertus: Legitimation und Limitierung von
47 Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
48 Konzeption der Kommunikationsverfassung des 21.
49 Jahrhunderts. 2009, S. 55]
50 Darüber hinaus kommt den Kommunikationsgrundrechten auch
51 eine objektiv-rechtliche Komponente zu. Insofern handelt es
52 sich um eine Doppelfunktion des Schutzzweckes von Art. 5 I
53 GG. So erhalten die Kommunikationsgrundrechte innerhalb
54 einer Demokratie, die auf einem freien (öffentlichen und
55 individuellen) Meinungsbildungsprozess fußt, eine
56 herausragende Bedeutung. Denn ein Wesenselement der
57 Demokratie besteht darin, dass der Wille des Volkes
58 maßgebend ist. Dafür ist allerdings entscheidend, dass die
59 Bürger auch die Möglichkeit haben, sich frei von staatlichen
60 Einflüssen eine Meinung zu bilden (demokratische
61 Willensbildung). Aus diesem Grund genießt der Schutz der
62 freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung einen
63 besonderen Stellenwert. Voraussetzung dafür ist eine
64 Vielzahl an Meinungen, die als Basis dafür dient. Aus diesen
65 soll sich in einer Systematik der Meinungspluralität die
66 überzeugendste Meinung durchsetzen. Voraussetzung für einen
67 Schutz aus Art. 5 I GG ist demzufolge der inhaltliche
68 Beitrag zum Kommunikationsprozess.
69
70 2. Die einzelnen Gewährleistungen des Art. 5 I GG
71
72 2.1 Meinungsfreiheit
73
74 Die Meinungsfreiheit schützt jeden, der seine Meinung äußert
75 beziehungsweise verbreitet. Voraussetzung ist somit zum
76 einen, dass eine Meinung vorliegt (in Abgrenzung zu einer
77 reinen Tatsache), und zum anderen, dass es sich um eine
78 eigene Meinung handelt. Das Verbreiten einer fremden Meinung
79 wird hingegen nicht vom Schutzbereich erfasst. Eine Meinung
80 ist geprägt durch das Element der Stellungnahme, des
81 Dafürhaltens, der Beurteilung. [Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8)] Im
82 Gegensatz dazu ist eine Tatsache dem Beweis zugänglich, denn
83 sie kann entweder wahr oder unwahr sein. [ Vgl.: Schemmer,
84 Franz in: Epping, Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.):
85 Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 1. Juli 2012 Edition:
86 15, Art. 5 I GG, Rn 5.] Bei jeder in Frage stehenden
87 Information, die geäußert oder verbreitet wird, muss
88 demzufolge geschaut werden, ob es sich um eine Meinung oder
89 eine Tatsache handelt. Das BVerfG hat entschieden, dass die
90 Äußerung und die Verbreitung von Tatsachen dann vom
91 Schutzbereich erfasst werden, wenn sie als Grundlage für
92 eine Meinungsbildung dienen. [ Vgl.: BVerfGE 61, 1 (8).]
93 Demzufolge wird der Schutzbereich für diese Art von
94 Tatsachen erweitert.
95
96 2.2 Informationsfreiheit [Vgl. auch: Deutscher Bundestag: …
97 Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und
98 digitale Gesellschaft“ / Demokratie und Staat. Kapitel 3.3
99 „Informationsfreiheit und Informationszugang“,
100 Erscheinungstermin offen.]
101
102 Die Informationsfreiheit schützt jeden, der sich selbst aus
103 allgemein zugänglichen Quellen informieren will. Sie dient
104 dem Schutz der freien Meinungsbildung, die der
105 Meinungsäußerung und -verbreitung zwingend vorgelagert ist.
106 Der Begriff der Quelle ist weit gefasst, so dass sämtliche
107 Träger von Informationen berücksichtigt sind. [ Vgl.:
108 Herzog, Roman in: Maunz, Theodor / Dürig, Günter,
109 Grundgesetz-Kommentar, 64. Ergänzungslieferung 2012, Art. 5
110 GG, Rn 87.] Der Begriff der Information ist ebenso weit zu
111 verstehen und umfasst alle Arten von Mitteilungen – eine
112 Unterscheidung zwischen Meinung und Tatsache erfolgt gerade
113 nicht. Allgemein zugänglich sind Informationsquellen, die
114 geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem
115 individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen
116 zu verschaffen. [Vgl.: BVerfGE 27, 71 (83).]Das Internet ist
117 demzufolge eine klassische allgemein zugängliche
118 Informationsquelle. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs,
119 Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, Art. 5 GG, Rn 54.]
120
121 2.3 Pressefreiheit
122
123 Unter Presse versteht man klassischerweise jedes
124 Druckerzeugnis, das geeignet und dazu bestimmt ist,
125 verbreitet zu werden. Die Pressefreiheit hat zum einen eine
126 subjektiv-rechtliche (individualrechtliche) und zum anderen
127 eine objektiv-rechtliche Gewährleistungskomponente. [ Vgl.:
128 BVerfGE 77, 346 (354) – Presse-Grosso.] Die
129 subjektiv-rechtliche gewährt den im Pressewesen tätigen
130 Personen die freie Gründung und Gestaltung von
131 Presseerzeugnissen. [ Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping,
132 Volker / Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher
133 Online-Kommentar GG, Art. 5 I GG, Rn 44.] Geschützt wird
134 demzufolge auch die Entscheidung darüber, welche Inhalte
135 wie, also in welcher Form und an welcher Stelle, in dem
136 Presseerzeugnis dargestellt werden. [ Vgl.: ebd.] Die
137 objektiv-rechtliche Komponente gewährt das Institut der
138 freien Presse insgesamt.
139
140 Grundsätzlich werden die Kommunikationsfreiheiten demjenigen
141 gewährt, der einen inhaltlichen Beitrag zum
142 Kommunikationsprozess leistet. Dennoch beschränkt sich der
143 Schutz nicht nur auf die unmittelbar inhaltsbezogenen
144 Pressetätigkeiten. Vielmehr werden auch inhaltsferne
145 beziehungsweise an sich inhaltsneutrale Hilfsfunktionen von
146 Presseunternehmen erfasst (= presseinterne inhaltsneutrale
147 Tätigkeiten). [ Vgl.: BVerfGE 25, 296 (304) – Buchhaltung;
148 BVerfGE 64, 108 (114 f.) – Anzeigenaufnahme.] Denn die
149 Pressefreiheit gewährt einen sehr weiten Schutz, der von der
150 Beschaffung der Informationen bis zu deren Verbreitung
151 reicht, [Vgl.: BVerfGE 10, 118 (121) – Berufsverbot I.] so
152 dass also im Gegensatz zur Meinungsfreiheit auch die
153 Verbreitung einer fremden Meinung gewährleistet wird. Der
154 Grund für diesen weiten Schutz ist das Interesse an einer
155 ungehinderten Meinungsverbreitung. Deshalb kommt es für die
156 Definition des Schutzbereichs darauf an, ob eine Tätigkeit
157 eine notwendige Bedingung für das Funktionieren einer freien
158 Presse ist. [Vgl.: BVerfGE 66, 116 (134) – Springer/Wallraff
159 ]Nicht geschützt wird indes die Verbreitung der Inhalte
160 durch einen Dritten (= presseexterne Person).
161
162 2.4 Rundfunkfreiheit
163
164 Die Rundfunkfreiheit umfasst den Schutz, Rundfunkprogramme
165 zu veranstalten. [Vgl.: Schemmer, Franz in: Epping, Volker /
166 Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck'scher Online-Kommentar
167 GG, Art. 5 I GG, Rn 62.] Rundfunk ist dabei jede an eine
168 unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder
169 drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten mit Hilfe
170 elektrischer Schwingungen. [Vgl.: Herzog, Roman in: Maunz,
171 Theodor / Dürig, Günter (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 64.
172 Ergänzungslieferung 2012, Art 5 GG, Rn 194 f.]Der
173 Schutzbereich erstreckt sich – wie bei der Pressefreiheit –
174 von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der
175 Sendung. [ Vgl.: BVerfGE 78, 101 (103).] Ebenso umfasst sind
176 im Interesse einer ungehinderten Meinungsverbreitung die
177 dazu erforderlichen inhaltsneutralen Hilfstätigkeiten, die
178 durch das Rundfunkunternehmen ausgeübt werden. [ Vgl.:
179 BVerfGE 78, 101 (103) unter Verweis auf BVerfGE 77, 346
180 (354) – Presse-Grosso.] Steht eine inhaltsneutrale
181 (Hilfs-)Tätigkeit in Rede, muss demzufolge unterschieden
182 werden, ob es sich um eine inhaltsneutrale Tätigkeit eines
183 Rundfunkveranstalters handelt oder um die eines externen
184 Dritten. Denn da Schutzvoraussetzung ein inhaltlicher
185 Beitrag zum Kommunikationsprozess ist, besteht grundsätzlich
186 bei inhaltsneutralen Tätigkeiten kein Schutz aus Art. 5 I
187 GG. Aufgrund des organisatorischen Zusammenhalts wird jedoch
188 bei inhaltsneutralen Tätigkeiten durch den
189 Rundfunkveranstalter ein ausreichender Inhaltsbezug
190 hergestellt, so dass im Ergebnis ein Schutz aus Art. 5 I 2
191 GG gewährt wird. Anders jedoch bei inhaltsneutralen
192 Tätigkeiten durch Dritte (also gerade keine
193 Rundfunkveranstalter).[ Vgl.: Gersdorf, Hubertus:
194 Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen. 1998, S. 69
195 ff.]
196
197 2.5 Filmfreiheit
198
199 Der verfassungsrechtliche Filmbegriff setzt voraus, dass die
200 Inhalte mittels eines chemisch-optischen oder digitalen
201 Bild- und Tonträgers durch Vorführung in der Öffentlichkeit
202 verbreitet werden. [ Vgl.: Bethge, Herbert in: Sachs,
203 Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art.
204 5 GG, Rn 118.] Bei Darstellungen der Inhalte im Internet
205 mangelt es jedoch gerade an einem Trägermedium, von dem die
206 Darstellung der Inhalte direkt am Ort des Abspielens
207 erfolgt. [ Vgl.: Jarass, Hans D. in: Jarass, Hans D. /
208 Pieroth, Bodo (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 10. Aufl.
209 2009, Art. 5 GG, Rn 50.] Von daher wird die Filmfreiheit im
210 Folgenden unberücksichtigt bleiben.

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